
Wer finanziert den Mittelstand?
Kleine und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft: 3,6 Millionen Betriebe stellen mehr als die Hälfte aller deutschen Arbeitsplätze und brauchen vor allem eine Sache, um erfolgreich arbeiten zu können: Geld. Verraten Sie uns, wo es herkommen soll.

Solide Basis
Wichtigster Finanzier des deutschen Mittelstands sind die Unternehmen selbst. Über einbehaltene Gewinne hat der Mittelstand seine Finanzausstattung in den vergangenen 20 Jahren auf eine solide Basis gestellt und die Finanzierungsstrukturen weitgehend krisenfest gemacht. Die Eigenkapitalquote stieg von sieben Prozent im Jahr 1998 auf 29 Prozent im Jahr 2018. Der Bankkredit, damals mit einem Bilanzanteil von fast 40 Prozent die wichtigste Finanzierungsquelle, kommt heute nur noch auf 21 Prozent. Gleichzeitig werden für den Mittelstand – infolge des Ausbaus gruppeninterner Wertschöpfungsketten mit stärkeren Unternehmensverflechtungen – sogenannte Verbundfinanzierungen immer wichtiger: Etwa 15 Prozent der benötigten Mittel werden auf diese Weise arrangiert. Und rund ein Zehntel der Bilanz entfällt auf Lieferantenkredite. Kaum eine Rolle für den Mittelstand spielen dagegen Kapitalmarktfinanzierungen. Gleiches gilt für die direkte Finanzierung von mittelständischen Unternehmen seitens der Investoren ohne Einschaltung von Intermediären wie zum Beispiel Banken oder Kapitalanlagegesellschaften. An dieser Struktur kann nur ein wirklich innovatives Instrument etwas verändern. Im Durchschnitt betrachtet ergibt sich also ein sehr günstiges Bild. Doch bei einigen mittelständischen Unternehmen sieht es weniger gut aus. Hier ist es künftig wichtig, Prozesse zu optimieren und sich gegenüber Finanziers möglichst attraktiv zu präsentieren.

Leasen statt kaufen
Der Mittelstand, das erfolgreiche Wirtschaftsmodell Deutschlands, und die mittelständisch geprägte Leasing-Wirtschaft sind eng miteinander verknüpft. Drei von vier mittelständischen Unternehmen ziehen Leasing regelmäßig für ihre Investitionspläne in Betracht. Für 40 Prozent ist Leasing sogar die erste Wahl im Wettbewerb der Finanzierungsinstrumente. Der Kredit folgt erst mit größerem Abstand. Marktbefragungen zeigen, dass die Leasing-Kunden besonders die Beratung auf Augenhöhe schätzen: Vom Mittelstand für den Mittelstand. Denn in ihrer Struktur spiegelt die Leasing-Wirtschaft die Unternehmenslandschaft in Deutschland wider. Zudem verfügen Leasing-Gesellschaften über eine ganz spezifische Objekt- und Branchenkenntnis. Neben der professionellen Beratung überzeugt Leasing mit einer Reihe von Vorteilen: Die Planbarkeit und Transparenz der Investitionskosten ist ein entscheidendes Argument, Leasing zu nutzen. Investitionsgüter können mit Leasing schneller und einfacher durch neue, modernere ersetzt werden. Zudem bieten Leasing-Gesellschaften zahlreiche ergänzende Services wie Wartung, Reparatur oder Schadensmanagement an, die für die Kunden einen deutlichen Mehrwert darstellen. Es wundert daher nicht, dass seit Jahren über die Hälfte aller außenfinanzierten Investitionen in Deutschland mittels Leasing realisiert wird. Leasing stellt damit einen unverzichtbaren Grundpfeiler der Unternehmensfinanzierung dar.

Finanzierungsmodelle der Zukunft
Deutschlands Mittelstand ist hoch innovativ und überaus erfolgreich. Damit das so bleibt, brauchen die Unternehmen die passende Finanzierung. Mittelständler haben hierbei dank ihres guten Renommees vergleichsweise geringe Schwierigkeiten. So beurteilen einer Umfrage des BVMW zufolge denn auch zwei Drittel der Klein- und Mittelbetriebe ihre Finanzierungssituation als gut oder sehr gut. Sie verfügen zudem über eine wachsende Eigenkapitalquote und beziehen staatliche Fördermittel ein. In erster Linie sichern die mittelständischen Unternehmen ihre Liquidität jedoch durch den klassischen Kredit bei der Hausbank. Die Beziehung zur Hausbank ist eine ganz besondere: Laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) halten mehr als 90 Prozent der Mittelständler ihrer Hausbank im Schnitt 20 Jahre die Treue. Ausschlaggebend ist vor allem der persönliche Kontakt zum Kreditinstitut. Das Hausbankprinzip bildet demnach auch in Zukunft das Fundament der Mittelstandsfinanzierung. Doch historisch niedrige Zinsen und die Folgen der Basel-Regulierungen lassen Banken bei der Kreditvergabe, insbesondere gegenüber Neukunden, zunehmend zurückhaltender werden. Umso mehr zeigen Mittelständler Interesse an alternativen Wegen der Finanzierung, wie zum Beispiel Fintechs. Der Vorteil liegt auf der Hand: Fintechs bieten schnelle und maßgeschneiderte Lösungen, die sich den Bedürfnissen der Betriebe anpassen – ein Modell mit Zukunft für den deutschen Mittelstand.

Neue Chancen nutzen
Der Mittelstand steht immer wieder vor der Herausforderung, notwendige Investitionen zu finanzieren oder Kapital für Innovationsprojekte zu beschaffen. Auch wenn die Förderlandschaft auf nationaler und europäischer Ebene viele Angebote bereithält, verzichten gerade kleinere Unternehmen auf solche Unterstützung. Der Grund ist einfach: Die Bürokratie der Fördergeldbeantragung hat ihre Tücken und es fehlt häufig das geeignete Personal zur Beantragung. Für kleine mittelständische Unternehmen hat sich die Finanzierungssituation in den letzten Jahren kaum verbessert. Es gilt: Je kleiner das Unternehmen desto schwieriger ist der Zugang zu klassischen Krediten – trotz niedriger Zinsen. Kapitalnachfragende Unternehmen haben nicht immer ausreichende Sicherheiten. Traditionell schätzen Unternehmen noch die individuelle Betreuung der Hausbank. Nur scheut man auf Bankenseite die Vergabe von mittel- bis langfristigen Krediten, da diese mit starken Unsicherheiten verbunden sind. Kein Wunder also, dass die Bedeutung des klassischen Bankkredits abnimmt. Selbstständige greifen dann eher auf private Rücklagen zurück – soweit diese überhaupt ausreichend vorhanden sind. Hier lohnt es sich, über den Tellerrand zu schauen. Dank Internet und Digitalisierung sind andere Finanzierungsformen auf dem Vormarsch. Private Geldgeber, Factoring, Leasing und Crowd-Financing können gute Alternativen sein. Sie in die eigenen Überlegungen aufzunehmen, kann sich lohnen.

Attraktive Alternative
Factoring, also der Verkauf von Forderungen, wird immer beliebter – gerade im Mittelstand. Allein die Umsätze der Mitglieder des Deutschen Factoring-Verbands stiegen 2018 um vier Prozent auf rund 242 Milliarden Euro. Die Kundenzahl nahm überproportional sogar um 20 Prozent auf nunmehr 43.830 Kunden zu. Viele Anbieter haben dabei mittelständische Kunden für sich als Tätigkeitsfeld erkannt. Von der Anzahl der Factoring-Kunden werden zwischenzeitlich sogar schon über 92 Prozent im Segment bis zehn Millionen Euro Factoring-Umsatz bedient, dem typischen Umsatzsegment für kleine und mittlere Unternehmen. Die Factoring-Quote, also das Verhältnis des Gesamtumsatzes zum Bruttoinlandsprodukt, liegt bereits bei über sieben Prozent, was bedeutet, dass über sieben Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts durch Factoring abgebildet werden. Dies zeigt, welche erhebliche Bedeutung Factoring inzwischen für die Unternehmensfinanzierung, gerade auch des Mittelstands, erlangt hat. Dies verwundert nicht, wenn man sich die grundsätzlichen Vorteile der Finanzierungsalternative Factoring ansieht: sofortige Liquidität statt hoher Außenstände, verlässliche und sichere Finanzplanung, Einräumung längerer Zahlungsziele gegenüber Debitoren, Erhöhung der Eigenkapitalquote und besseres Rating, Sicherheit durch Schutz vor Zahlungsausfällen oder Entlastung beim Debitorenmanagement. Und das sind nur einige der Gründe, die Factoring heute so attraktiv machen.

Unternehmer Staat
Der Staat sollte sich seiner Verantwortung bewusst sein und seine Subventionen, die als Zuschüsse oder in anderer Form Unternehmen zugutekommen und dort schnell verfrühstückt werden und den Appetit auf mehr wecken, in Unternehmensbeteiligungen stecken. Der Vorteil besteht darin, dass die Gesellschaft dann direkten Einfluss auf das Unternehmen hat und damit Faktoren berücksichtigen kann, die nicht nur der bloßen Gewinnmaximierung dienen. Ein positives Beispiel sind kommunale Wohnungsbauunternehmen, die in der derzeitigen Situation ein wichtiger Player auf den aufgeheizten Wohnungsmarkt sind. Der Staat hat dann auch einen direkten Einfluss auf Standortentscheidungen und Personalpolitik und kann seine Ziele, beispielsweise in Richtung Inklusion, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, direkt beeinflussen.

Überblick behalten
Traditionell findet die Finanzierung mittelständischer Unternehmen in erster Line über eine Innenfinanzierung durch Eigenmittel statt, gefolgt von Fremdfinanzierungsmaßnahmen mit Bankkrediten. Dabei stellt die Hausbank oftmals den wichtigsten oder gar einzigen Finanzpartner dar. Motiviert durch den persönlichen Kontakt und langfristige Planungssicherheit birgt diese Finanzierungsstruktur jedoch die Gefahr einer Abhängigkeit und damit letztlich schlechterer Finanzierungskonditionen. Hinzukommt, dass zunehmende regulatorische Anforderungen an Banken ihre Kreditbereitstellung einschränken, was zu Finanzierungsengpässen für Mittelständler führen kann. Alternative Finanzierungswege sind entweder nicht bekannt oder werden oftmals ohne Prüfung abgelehnt. Als Konsequenz machen mittelständische Unternehmen zu wenig Gebrauch von alternativen Finanzierungsinstrumenten, beispielsweise von Leasing oder der Beantragung von Fördermitteln, und diversifizieren ihren Finanzierungs-Mix nicht ausreichend, etwa über die Etablierung mehrerer Bankverbindungen. Der notwendigen Diversifikation steht insbesondere eine mangelnde Markttransparenz entgegen: Speziell für Mittelständler ohne professionelles Finanzmanagement gestaltet es sich aufgrund der großen Vielfalt an Finanzierungsalternativen äußert schwierig, den Überblick zu behalten. Ein entsprechender Anbieter- und Produktvergleich stellt dabei eine zeit- und kostenintensive Herausforderung dar.

Günstige Bedingungen
Für innovative Geschäftsideen brauchen Unternehmen eine solide Finanzierung. Damit der Mittelstand auch in Zukunft die Triebfeder einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland bleibt, ist der zuverlässige Zugang zu geeigneter Finanzierung eine maßgebliche Voraussetzung. Dafür kommen Eigenmittel und Finanzierungsangebote von Kreditinstituten sowie privaten Kapitalgebern in Betracht. Zusätzlich unterstützt die Bundesregierung kleine und mittlere Unternehmen sowie Freiberufler, Gründungsinteressierte und Startups mit einem vielfältigen Finanzierungsförderangebot. Diese Programme stellen zinsgünstige Kredite, Beteiligungskapital oder Zuschüsse für Gründungsvorhaben und Wachstumsinvestitionen bereit. Damit sollen insbesondere junge Unternehmen in allen Phasen unterstützt werden. Ein entscheidender Erfolgsfaktor speziell für Startups und junge Technologieunternehmen ist ein ausreichender Zugang zu Wagniskapital. Deutschland soll als Investitionsstandort für Wagniskapital international wettbewerbsfähig werden. Mit passgenauen Instrumenten verfolgen wir eine doppelte Förderstrategie: Dringend benötigtes Kapital wird aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt und so gleichzeitig privates Kapital mobilisiert. Ohne Geld bleibt eine Idee oft nur eine Idee. Aber nicht nur die Finanzierung ist wichtig, sondern auch die Wertschätzung von Unternehmertum in der Gesellschaft. Dafür setze ich mich etwa mit meiner Gründungoffensive ein.
Hans-Werner Grunow, Unternehmensberater und Buchautor