
Was ist das neue Arbeiten?
Die Digitalisierung gilt seit langem als Technologie, die die Arbeitswelt verändern wird. Passiert ist vergleichsweise wenig, bis ausgerechnet ein Virus die Zeitenwende einläutete: Heute sind Homeoffice und Videokonferenzen kaum noch wegzudenken. Verraten Sie uns, was sich in Ihrer Arbeitswirklichkeit verändert hat – und wie Sie dazu stehen.

Der Krise einen Sinn abtrotzen
Leider wird New Work zu oft mit agil oder Lean Management gleichgesetzt. Also mit Methoden, die Mitarbeitende flexibler macht beziehungsweise ihren Einsatz optimieren. Mit der Bedeutung des Begriffs im ursprünglichen Sinn hat das allerdings nichts zu tun. Hier geht es weder um ein bisschen weniger schuften und ein bisschen mehr chillen, noch um schönere Selbstausbeutung beim Duzen in Sitzschaukeln und Telefonieren beim Lauftraining. Es geht – nach dem Begründer der New-Work-Bewegung Frithjof Bergmann – darum, das zu tun, was man im tiefsten Inneren wirklich tun möchte. Das Problem: Viele wissen eigentlich gar nicht genau, was sie tun möchten, wenn sie ganz frei in ihrer Wahl wären. In den vergangenen Monaten hatten viele Menschen zwangsläufig Zeit, sich genau darüber Gedanken zu machen. Sie haben sich selbst neu erlebt: im Homeoffice, im Kurzarbeiterfrei oder in systemrelevanten Tätigkeiten. Sie haben Vereinbarkeiten und Unvereinbarkeiten sowie die Währung Wertschätzung kennengelernt. Sie haben erfahren, wann und wo sie ihr Potenzial am besten entfalten. Das gilt es zu nutzen. Statt uns einem „New Normal“ zuzuwenden, sollten wir uns hin zu „New Work“ bewegen, in der es darum geht, selbstgewählte Aufgaben zum Nutzen aller zu erfüllen. Wer jetzt nicht nur Kassensturz, sondern auch einen Kultur-Check macht, der ergreift die große Chance, der Corona-Krise einen Sinn abzutrotzen.

Rein in den Work-Life-Flow
Das neue Arbeiten ist zunächst ein ständiger Veränderungsprozess. Was wir Anfang dieses Jahres so bezeichnet haben, können wir in Zeiten der aktuellen Pandemie nicht mehr neu nennen – und in einem Jahr wird uns das noch deutlicher erscheinen. Vor allem geht es beim neuen Arbeiten nicht um eine reine Abgrenzung von Office zu Homeoffice. Momentan sind wir im Vergleich zum Office vor Covid-19 quasi verpflichtet, im Homeoffice zu arbeiten. Das neue Arbeiten sollte aber auch eine Wahlfreiheit für die Mitarbeiter enthalten, selber entscheiden zu können, was die beste Umgebung für eine bestimmte Tätigkeit ist. Damit entsteht zusätzlich die Möglichkeit des Out-of-Office. Wenn ich keinen Präsenztermin habe – und wir stellen gerade fest, dass viel mehr Meetings als gedacht virtuell möglich sind – kann es sowohl meinem Arbeitgeber als auch meinen Kunden egal sein, von wo ich arbeite. Eine Videokonferenz aus oder vor meinem Bulli schafft sogar mehr persönliche Nähe als der gleiche Termin vor neutraler Kulisse. Wichtig ist dabei, dass es ein Klima von Vertrauen und Verantwortung gibt: Unternehmer müssen ihren Mitarbeitern vertrauen, dass sie die Verantwortung für ihren Job übernehmen. Genauso müssen Mitarbeiter dem Unternehmen vertrauen, dass dieses seiner Verantwortung zum Mitarbeiterschutz gerecht wird. Damit ist das neue Arbeiten in erster Instanz eine Frage der Unternehmenskultur.

Wandel mit Navigation
Wie unterstützt Workday Unternehmen dabei, agil zu arbeiten? Der wichtigste Ansatzpunkt auf dem Weg zur organisatorischen Agilität ist sicherzustellen, auf die richtigen Ziele hinzuarbeiten und diese messbar zu machen. Eine kontinuierliche Planung in Echtzeit verleiht Unternehmen die notwendige Geschwindigkeit, Agilität und Dynamik, die sie für Innovationen benötigen. Vorteile einer einheitlichen Datenquelle für Finanz-und Personalinformationen sind, dass Daten konsistent vorliegen und Korrelationen schneller berechnet und so in handlungsfähige Entscheidungen übertragen werden. Zudem benötigen Entscheidungsträger einen Zugang zu den von ihnen benötigten Daten mit einem Sicherheitsmodell, das Sorge trägt, dass die Daten das System nicht verlassen.

Wandel mit Navigation
Wo liegen die Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt? Um Flexibilität und Agilität zu erreichen, muss ein Unternehmen in der Lage sein, Personal und finanzielle Ressourcen schnell neu auszurichten, um die organisatorischen Anforderungen zu erfüllen. Die größten Hindernisse sind technische Einschränkungen, die fehlende Einsicht in Daten sowie die Korrelationen. Dafür braucht es ein elastisches und für kontinuierliche Anpassungen ausgelegtes Finanz-, HR- und Planungssystem – wie das von Workday. Die architektonische Grundlage der „Power of One“ macht das möglich: eine Datenquelle, ein Sicherheitsmodell, eine User Experience, eine Version und eine Community.

Verarmte Interaktion
Die Digitalisierung in der Arbeitswelt wird fortschreiten. Das ist im Prinzip gut für Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Kunden und Bürger. Es gibt aber Grenzen, die im wohlverstandenen Interesse aller eingehalten werden sollten. Meine Erfahrungen als Dozent mit Vorlesungen über Videokonferenzen mögen das exemplarisch zeigen: Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Kommunikation ist der Blickkontakt zwischen dem Dozent und den Teilnehmern der Lehrveranstaltung. Wird die Kamera von einzelnen Teilnehmern ausgeschaltet, kann der Dozent nicht erkennen, ob seine Ausführungen ihr Ziel erreichen. Aber auch bei den kleinen Videobildern auf dem Bildschirm lassen sich viele wichtige Merkmale der Mimik und Körpersprache nicht erkennen. Diese sind aber für eine gelungene Interaktion notwendig. Die Vermittlung von Wissen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit Lerninhalten durch Diskussion erscheinen bei Videokonferenzen deutlich erschwert. Auch insoweit stößt eine Digitalisierung an ihre Grenzen.

Das neue Normal
Der starke Impuls, ausgelöst durch die Corona-bedingten Einschränkungen in Richtung einer Digitalisierung von Abläufen, wird Arbeit nachhaltig verändern. So wird in vielen Unternehmen und Institutionen zukünftig die Frage zu beantworten sein, warum nicht – wie schon während Corona geübt – auch weiterhin von zu Hause gearbeitet werden kann. Prozesse wurden komplett umgestellt und Organisationen werden nicht wieder zu einem vorherigen Zustand zurückkehren wollen. Damit die aktuell gelebte Agilität auch nachhaltig Bestand hat, spielt die Beachtung menschbezogener Bedürfnisse eine entscheidende Rolle. Dies betrifft die nur zu verständliche Forderung nach einer Technik, die zu einer wirklichen Vereinfachung von Abläufen und eben nicht zu einer Anpassung von gut funktionierenden Abläufen an technische Unzulänglichkeiten führt. Es betrifft ganz besonders die Förderung der Eigenverantwortung von Beschäftigten. Eine von allen Beteiligten gewollte und dann auch entsprechend geschulte Eigenverantwortung ist beispielsweise die Voraussetzung für erfolgreiches Arbeiten von zu Hause. Schließlich sollte eine weitere Corona-Erfahrung nicht zu schnell wieder vergessen werden. Der direkte, nicht durch Technik vermittelte Kontakt zwischen Menschen ist wertvoll für das Wohlbefinden, aber auch für den wirtschaftlichen Erfolg. Zukünftige Arbeit misst den zwischenmenschlichen Kontakten daher eine hohe, zu schützende Bedeutung zu.

New Work braucht auch New Leadership
Ein neues Führungsverständnis ist gefragt, um neue Konzepte des Arbeitens zu ermöglichen und den Begriff New Work mit Leben zu füllen. Gerade in einer Zeit wie dieser, so dynamisch und unsicher, müssen Führungskräfte noch stärker als bislang eine orientierende Rolle wahrnehmen. Sie müssen Sinn, Vision und Werte vermitteln, Vertrauen schaffen und gemeinsames Vorankommen fördern. Balancierte Selbstführung, innere Stabilität und Reflexionsfähigkeit sind dabei essenzielle Führungsfähigkeiten, um das Beste in Organisationen zu entfalten. Die Haltung von Führungskräften beeinflusst maßgeblich die Unternehmenskultur. Eine gelebte Vertrauenskultur ist das Fundament, um all das, was für eine neue Arbeitswelt gerade diskutiert wird, zum Klingen zu bringen: Umgehen mit Veränderungen, Zusammenarbeit über Bereichsgrenzen hinweg, Selbstverantwortung. Führungskräfte sollten immer mehr zu Ermöglichern werden und von Kontrolle auf Empowerment umschalten – mit einer empathischen, coachenden Haltung auf Augenhöhe. Das heißt keinesfalls, dass Führung überflüssig wird. Führungskräfte tragen nach wie vor die Verantwortung für die Formulierung von Zielen, Strategien und Ergebnissen, müssen jedoch Autonomie zulassen und zunehmend Kontrolle über die Umsetzung abgeben. Für alle New-Work-Ansätze gilt: Es bedarf der ehrlichen Bereitschaft der Führungsebene, sich auf neue Wege einzulassen – und des gegenseitigen Vertrauens, diese Wege zu gehen.

Lernende Unternehmen
Wohnungswirtschaft ist auf Langfristigkeit angelegt. Ergo könnte man denken, dass sich dort die Arbeitswelt nur langsam verändert. Diese Annahme ist falsch. Es gibt fünf gute Gründe, warum Arbeitswelt 4.0, Agilität und New Work auch Wohnungsunternehmen interessieren sollten. Erstens wird Homeoffice zur neuen Normalität. Die Corona-Pandemie hat als Booster für tiefe gesellschaftliche Veränderungen fungiert, in der sich Rollenmodelle ändern und Work-Life-Balance-Aspekte wichtig werden. Zweitens haben die sozialen Netzwerke die Art der Kommunikation revolutioniert – mit „Nebenwirkungen“ für den beruflichen Kontext. Digitale Kommunikations- und Kollaborationstools werden sich durchsetzen. Drittens betrifft die Digitalisierung alle Branchen, auch die Wohnungswirtschaft. Dafür braucht es nicht nur Experten, sondern Kompetenzen bei allen Beschäftigten. Viertens erfahren Arbeitsfelder durch vervielfältigte Megatrends wie Klimaschutz, Quartiersgestaltung und veränderte Wohnbedürfnisse einen tiefgreifenden Wandel. Dies aufzufangen, kann intern nur durch vermehrte Projektarbeit gelingen. Diese wird die klassische Linienorganisation mit ihren „Silos“ aufbrechen. Das führt, fünftens, zum Fazit: Diese neuen Herausforderungen können nur durch eine neue Lernkultur bewältigt werden. Wohnungsunternehmen müssen lernende Organisationen werden. Die Zeiten, in denen Lernen nur in Schule, Universität oder Akademie stattgefunden hat, sind passé.

Lernen als Schlüssel
Der griechische Philosoph Heraklit wusste schon: „Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Und so ist es auch mit der Arbeitswelt. Dabei halte ich drei Aspekte heute für besonders wichtig: Erstens ändern sich viele Rahmenbedingungen – Smart Working, Vertrauensarbeitszeit und Mobile Devices eröffnen hier neue Freiheitsgrade für alle Beteiligten. Zweitens ändern sich Arbeitsprozesse – agiles Arbeiten, fachbereichsübergreifende Teamarbeit und Hierarchiereduktion erfordern neue Verantwortungen und Methodenkompetenzen der Mitarbeiter. Drittens ändern sich die Arbeitsplätze – neue Tätigkeiten kommen hinzu, andere verschwinden oder neue Jobs entstehen. Das neue Arbeiten heißt also vor allem eines: Lernen. Sei es der verantwortungsvolle Umgang mit neuen Freiheiten, selbstgesteuerter Projektarbeit oder dem Aneignen neuer Anforderungen – Lernen wird zu dem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Für das gesunde und erfolgreiche Bestehen in dieser neuen Arbeitswelt brauchen wir andere Kompetenzen. Neben Selbststeuerung und Selbstdisziplin sowie (virtuelle) Kommunikationskompetenz und Umgang mit Unsicherheit in Bezug auf neue Prozesse ist insbesondere die Lernkompetenz bei sich ändernden Anforderungen ein Schlüssel zum Erfolg. Mit Lernkompetenzanalysen und der Ausbildung agiler Lerncoachs können Mitarbeiter und Organisationen dabei unterstützt werden, das Lernen wirksamer zu gestalten. Denn die beste Antwort auf den Wandel ist Lernen.

So individuell wie wir
Das neue Arbeiten wird sich vor allem dadurch auszeichnen, dass es „das“ Arbeiten kaum geben wird. Noch mehr als heute wird Arbeit kaum abgrenzbar, nur schwach strukturiert, dynamisch, sehr individuell und unterschiedlich sein. Die Digitalisierung ermöglicht neue und vielfältige Arbeitsformen und macht diese Vielfalt zugleich zu einer notwendigen Voraussetzung. Nine-to-five-Arbeit im festen Büro nach Vorgabe mag es zukünftig noch geben – nur wird die eine zunehmend geringere Rolle spielen. In einer Welt, in der Zusammenarbeit überall und zu jeder Zeit erfolgen kann und Wertschöpfungsnetzwerke und Erfolgsfaktoren im permanenten Wandel sind, wird sich auch die Form der Arbeit dynamisch entwickeln. In den letzten Wochen haben auch Zweifler gesehen, dass wir nur einen kleinen Teil der möglichen Formen nutzen, um Arbeit zu organisieren. Besondere Herausforderungen sind Selbstorganisation und Eigenverantwortung, aber vor allem auch Führung und die intelligente Nutzung der neuen Möglichkeiten. Ziel darf es nicht sein, bestehende Arbeitsformen einfach zu elektrifizieren. Neue Möglichkeiten müssen nutzbringend gestaltet werden – etwa durch Kombinationen verschiedener Formate, durch neue Führungs- und Organisationsformen oder auch durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz, zum Beispiel mit Bots. Es gilt, neue Formen der Arbeit passend zu den Erfordernissen und Präferenzen zu entwickeln – individuell, intelligent, mutig und fantasievoll.

Mehr geht nicht – aber besser
Am Scheideweg der Wirtschaftsgeschichte ist es an uns: Wollen wir mit viel Lobbyismus und Geld ins endliche Spiel zurück oder nutzen wir das Momentum und prägen durch neues Arbeiten eine bessere Wirtschaft? Jede Krise löst einen Wandel aus. Das mögen wir Menschen nicht. Kommt es jedoch drauf an, sind wir hochgradig anpassungsfähig. Die jahrelangen Diskussionen über Homeoffice haben mit einem Schlag aufgehört: Geht doch! Der Crashkurs im digitalen Leben beamt die Technologie aus der Zukunft in die Gegenwart. Die Krise liefert eine Steilvorlage für neues Arbeiten. Der Höhenflug vergangener Jahrzehnte ist gebaut auf Antigravitation. Der schier endlose Konsumwahn, lineare Wachstumsraten und die Lustbefriedigung haben unsere Industrien immer größer und schamloser gemacht. Im Lockdown haben Menschen auf einmal nur das gekauft, was sie wirklich brauchten. Nach nur zwei Monaten muss die Wirtschaft gerettet werden? Neues Arbeiten stellt zuerst die Frage nach dem Sinn. Wofür stehen wir jeden Tag auf? Wozu gibt es unser Unternehmen? Was ist unser Beitrag für eine bessere Wirtschaft? Unternehmen haben keinen Selbstzweck, sie sind Teil unserer Gesellschaft. Indigene Völker treffen wichtige Entscheidungen immer für sieben Generationen – also für ein unendliches Spiel. Für unsere Enkelfähigkeit stellt sich die Frage: Was ist unser Beitrag, um die Welt für uns und unsere nächsten Generationen zu einem besseren Ort zu machen?

Austausch gesucht
Am 16. März wurde meine Schule wegen Corona geschlossen. An diesem Tag wurde ich von der Digitalisierung überflutet wie eine Straße vom Hochwasser. Du stehst bis zu den Knien im Wasser und musst etwas tun. Unterrichten. Homeoffice. Sofort. Nach zwei Wochen war ich bereit, schulische Plattformen waren eingerichtet, eine vernünftig geplante Routine begann sich einzustellen. Die digitale Form der Unterrichtskommunikation ist jedoch eine sehr verdichtete, ausschließlich sachorientierte Art des Austauschs. Angemessen wäre eigentlich das individuelle Arbeiten mit dem Kind – bei der bisherigen Organisation von Schule eine Überforderung. Es müssten Kommunikationsformen entwickelt werden, die das beiläufige soziale Zusammensein ermöglichen. Austausche, irgendwo zwischen Smalltalk und Fachgespräch, schaffen die Bindungen und Verbindungen, die Vertrauen und Kreativität fördern. Mediale Lösungen für diese Situationen können die physische Präsenz nicht kopieren, vielleicht aber eine Zeit lang ersetzen, wenn die Kommunikationspartner in der Lage sind, die Zeichen und Signale einer sich neu bildenden Körper- und Zeichensprache im digitalen Raum zu entwickeln und auszudifferenzieren. Wie kann eine Gesellschaft in Quarantänezeiten sozialen Zusammenhalt herstellen, aufrechterhalten, fördern? Das ist die Frage an die Schule, an die Arbeitswelt, an alle gesellschaftlichen Gruppen, an die Politik. Diese Arbeit steht noch bevor.

Mit freiem Blick Richtung Zukunft
Wenn ich an die Arbeitswelt von morgen denke, sehe ich Bewegung. Bewegung ist das Allheilmittel und die einzige Prävention gegen Bewegungsmangel. Das Organ, das wie kein anderes auf Bewegung angewiesen ist, ist unser Gehirn. Es benötigt Informationen aus unserem Bewegungsapparat, um den gesamten Organismus zu koordinieren. Dabei interagieren Gehirnbereiche in komplexen Netzwerken. So ist die Motorik unserer Augen für koordinierte Körperbewegungen mitverantwortlich. Immer wieder beobachte ich in meiner Praxis, dass Menschen mit zum Beispiel Nackenverspannungen eine gestörte Koordination ihrer Augenbewegungen haben. Das Problem tritt insbesondere bei Menschen an Bildschirmarbeitsplätzen auf, da hierbei der Blick überwiegend in die Nähe gerichtet ist. Was fehlt, ist der Blick in die Ferne, den unsere körperlich tätigen Vorfahren in der freien Natur den ganzen Tag hatten. Die ständige Anspannung der Augenmuskeln für das Fokussieren der Nähe stimuliert durch die Verschaltungen im Hirnstammbereich unsere Rumpfmuskulatur einseitig und verspannt unsere Muskeln, insbesondere im Nacken. Wenn ich an das neue Arbeiten denke, sehe ich große Bildschirme, die deutlich weiter entfernt vom Auge als heute platziert sind und mit einer entsprechenden bewegungsverführenden und bedarfsgerechten Arbeitsumgebung größere Augen- und Kopfbewegungen zum Wohle unseres Gehirns zulassen.

Form folgt Funktion
Die Debatte über die Arbeitsstrukturen der Zukunft wird in Deutschland oft aus einem ein-seitigen Betrachtungswinkel geführt. Das neue Arbeiten wird durch Buzzwords wie Open Space, Kreativräume, Agiles Führen, Office Sharing oder Homeoffice unterlegt und klam-mert nicht selten Produktionsunternehmen mit einem hohen Anteil gewerblicher Fachkräfte aus. Insofern bleiben auch die künftigen Unternehmenswelten bunt. Weder die gegen die menschliche Natur wirkenden Großraumbüros, noch die „Creative Spaces“ à la Google wer-den allein das Arbeitsleben prägen. Auch werden die Menschen sich nicht in Scharen ins Homeoffice flüchten. Diverse Arbeitsformen können im Wirtschaftsgeschehen koexistieren. Die Arbeit und das Unternehmen sind und bleiben für die Menschen ein wichtiger sozialer Bezugsrahmen, in dem sie produktiv sein und in ihrem Teambezug Anerkennung finden wol-len. Diese arbeitsbezogene Wertschätzung setzt auch bei noch so agiler Führung Nähe und Begegnung voraus, die nicht dauerhaft digitalisiert werden kann. Menschen suchen mehr-heitlich auch ein berufliches Zuhause, streben aber nach mehr Flexibilität in der Arbeits-struktur. Sie wollen konzentriert und wertschöpfend arbeiten können, was auch nach Mei-nung der Wissenschaft in offenen Arbeitsarchitekturen schwierig ist. Das neue Arbeiten wird in starkem Maße heterogen sein, sich unter den Vorzeichen von Branchen und Ge-schäftsmodellen herausbilden – getreu dem Grundsatz: Form follows function.

Agilität ist Trumpf
Das Ziel von Unternehmen sollte sein, nicht nur im Normalmodus richtig gut performen zu können, sondern dies auch im Pandemiemodus zu bewältigen. Und das ohne Panik, souverän in der Umsetzung und wissend, dass man damit Erfolg hat und deswegen zufrieden sein kann. Kurz: Agilität mit einem entspannten Lächeln. Was ist das Gute, das Unternehmen aus der Krise mitnehmen? Das diejenigen, denen es gelingt, eine schnelle Anpassungsfähigkeit in ihrem Arbeitsalltag zu leben, sogar gestärkt aus Herausforderungen wie Corona und der damit verbundenen weltweiten Wirtschaftskrise hervorgehen können. Das bedarf einer flexiblen und agilen Arbeitsweise sowie jeweils angepassten arbeitsschutzrechtlichen Bedingungen, die es Betrieben und Mitarbeitenden ermöglicht, je nach aktueller Situation zwischen einem Arbeiten im Krisenmodus und dem „Normalzustand“ zu wechseln. Letztendlich ist eine hochgradig agile Arbeitsweise gefordert, die es ermöglicht, sofort auf gesundheitliche, wirtschaftliche oder sonstige Marktereignisse zu reagieren – ja diese sogar im besten Fall zu antizipieren. Je trainierter Unternehmen hier in der Umsetzung sind, je gewohnter es für Mitarbeitende sein wird, innerhalb kurzer Zeit in einen anderen Arbeitsmodus umzuswitchen, desto stabiler und sicherer werden Menschen und Unternehmen bei zukünftigen Herausforderungen sein. Es wird unumgänglich sein, tradierte Geschäftsmodelle an eine agile Unternehmenskultur anzupassen.

Kampf um Exzellenz
Firmen werden gestärkt aus der Krise hervorgehen, wenn die Mitarbeiter die besten Rahmenbedingungen erhalten. Das ist sicher kein Großraumbüro mit Präsenzpflicht. Homeoffice wird zur Regel – nicht ganz uneigennützig. Man hat wohl erkannt: Die besten Köpfe kommen nur, wenn man sie nicht der Konkurrenz überlässt, die die neue Zeit bereits eingeläutet haben.

Dem Wandel einen Schritt voraus
Mit der Corona-Krise hat die Digitalisierung einen ungeplanten Schub erhalten. Millionen Beschäftigte haben in den vergangenen Monaten im Homeoffice gearbeitet. Statt in der Teeküche traf man sich im Mitarbeiter-Chat und die Teambesprechung fand per Videokonferenz statt. Die mobile Arbeit hat in vielen Fällen gut funktioniert. Doch was fehlt, sind verbindliche Regeln. Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen, damit zum Beispiel Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Homeoffice arbeiten, vor ständiger Erreichbarkeit geschützt werden. Faire Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit und Arbeitsschutz sind in Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je. Das gilt auch für die Themen Weiterbildung und Qualifizierung. Denn der Strukturwandel hin zu einer digitalisierten und klimaneutralen Wirtschaft kann nur dann gelingen, wenn die Beschäftigten von heute fit sind für die Arbeit von morgen. Schon jetzt sehen wir, dass sich das Gesicht vieler Jobs verändert: Wer am Fließband arbeitet, braucht zunehmend IT-Wissen. Und wo früher ein Zollstock ausreichte, kommt heute ein 3D-Scanner zum Einsatz. Deshalb fördert die Bundesregierung Weiterbildungen und begleitet Unternehmen und Beschäftigte auf dem Weg in die digitale Zukunft. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass aus dem technologischen Fortschritt ein Gewinn für uns alle wird.

Zukunft beginnt jetzt
Zum neuen Arbeiten gehören neue Technologien. Und davon gibt es reichlich. Die Herausforderung liegt in der Analyse dieser Technologien und einer daraus folgenden Einschätzung zur Nutzbarkeit im eigenen Unternehmen. Will heißen: Nicht jedes Tool, das Fortschritt verspricht, bringt ein Unternehmen einen Schritt nach vorne. Umgekehrt kann ein Tool, das zunächst wie ein Spielzeug wirkt, ungeahnten Nutzen bringen. Und nicht nur Startups haben ein Gespür für moderne Technologien. Ich war von den Möglichkeiten der Microsoft HoloLens in unserem Traditionsunternehmen sofort überzeugt, konnte aber einige verwunderte Reaktionen verstehen, als die Ratiodata ihre Techniker mit Mixed-Reality-Brillen ausstattete. Kann virtuelle Realität im IT- und Managed Service helfen? Inzwischen ist klar: Ja, kann sie. Auch die Reparatur eines Multifunktionsdruckers kann mit neuen Technologien effizienter gestaltet werden. Und oft bergen sie neben wirtschaftlichen Vorteilen ungeahnte Nebeneffekte. So konnten wir mit der HoloLens die Auditierung unserer Standorte vollständig aus der Ferne durchführen. Prüfer konnten unsere Standorte durch „die Augen“ eines Technikers begehen und die Ratiodata so ihre Zertifizierungen erlangen. Übrigens denke ich bei „New Work“ und „Startup“ nicht nur an neue Technologien. Fast in allen modernen Büros findet man einen Kickertisch. Der wurde übrigens um 1900 erfunden. Schön zu sehen, wenn alte Ideen Bestand haben.

Der Mensch macht das Unternehmen- nicht umgekehrt
Ein Virus muss als Katalysator herhalten, was sich längst vorher abgezeichnet hat. Nicht diejenigen Firmen werden gestärkt aus der Krise hervorgehen, wo der autokratische Chef in seinen Mitarbeiter nicht mehr sieht als die lästige Payroll, sondern die, wo die Mitarbeiter die besten Rahmenbedingungen erhalten, bei denen sie ihre individuelle Leistung erbringen können (sicherlich kein Großraumbüro mit Präsenzpflicht). Nur so wird sich der bestmögliche Gewinn einstellen. Und der ist nicht nur monetär, sondern vor allem der, dass die Mitarbeiter gerne arbeiten, sie nicht in Korsette gezwungen werden und vor allem: Gesund bleiben! Der Krankenstand hat sich im ersten Halbjahr 2020 drastisch verringert. Wie kommt das nur? Siemens zeigt, wie es geht. Das HomeOffice wird zur Regel. Nicht ganz uneigennützig: Man hat wohl erkannt, dass die besten Köpfe nur kommen, wenn man sie nicht der Konkurrenz überlässt, die die neue Zeit bereits eingeläutet haben. Was wir im Moment erleben, ist nicht weniger als die Ausprägung der sechsten großen Entwicklungswelle der Menschheit nach dem Ökonomen Kondratjeff, der unter den Stalinisten in Russland mit seinem Leben für seine Wirtschaftstheorien bezahlt hat. Der Mensch wird der prägende Faktor dieser sechsten Welle sein.
Anette Fintz, Führungscoach