
Welche Innovationen verändern unser Leben?
Unterhalten wir uns bald mit Hologrammen statt über Zoom? Wird die Genschere zu Kindern aus dem Katalog führen? Löst die Kernfusion alle unsere Energieprobleme auf einen Schlag? Und was könnten all diese Veränderungen mit unserem Leben machen? Fragen über Fragen: Schreiben Sie uns, welche Innovation Sie sich für Ihr Leben wünschen.

Transformation mal drei
Technologischer Fortschritt und die Digitalisierung sind die Hebel zu mehr Nachhaltigkeit. Drei Treiber spielen hier eine wesentliche Rolle: die Plattformökonomie, die Serviceökonomie und die Dematerialisierung. Die Plattformökonomie beschreibt den Wegfall des Mittelsmannes zwischen Unternehmen und ihren Kunden. Eine Plattform nutzt Netzwerkeffekte und wird mit jedem zusätzlichen Nutzer wertvoller. Die Serviceökonomie basiert auf der Aufschlüsselung von vorhandenen Daten in einzelne Elemente oder bestimmte Merkmale. Sie bildet die Grundlage für die Sharing Economy und verschiedene digitale Service-Modelle. Die Dematerialisierung wiederum beschreibt die Umwandlung analoger Produkte in digitale Formate. Physische Dinge werden zur Software, die zusammen mit Services physische Produkte ersetzen. Diesen Dreiklang gilt es zu verstehen und zu nutzen, um in Zukunft weiterhin an der Wertschöpfung beteiligt sein zu können. Denn er macht vor keiner Branche Halt. In Zeiten von Corona merken wir mehr denn je, dass wir nicht drum herumkommen, die Digitalisierung weiter voranzutreiben. Wer nun glaubt, dass man Produkte wie ein Auto nicht dematerialisieren kann, da sich der Fahrer immer physisch in das Fahrzeug setzen wird, hat sich getäuscht. Durch das Zusammenspiel von Plattformökonomie, Serviceökonomie und Dematerialisierung ist es möglich, Ressourcen zu schonen und besser zu verteilen – und so implizit für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen.

Starke Stimmen für eine starke Zukunft
Für mich ist die wichtigste Innovation, Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben. Freiheit und Selbstbestimmung kann man nur erlangen, wenn man die Opfermentalität aus den Köpfen junger Menschen sowie deren Familien herausbekommt. Das schafft man, indem man ihnen zuhört, mit ihnen über Identität und Selbstbewusstsein redet und sie provoziert, Stellung zu nehmen. So haben sie eine Chance zu lernen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. Viele wissen oft nicht, dass sie eine Stimme haben und das Recht auf eine eigene Meinung. Es geht hierbei auch darum, den Charakter zu entwickeln. So merken sie, dass sie, wenn sie selbst mitwirken, viel mehr erreichen können. Nur dann sind sie motiviert und arbeiten hart. Sie brauchen aber die Möglichkeiten dazu und unsere Unterstützung. Sauti Kuu heißt auf Kiswahili „Starke Stimmen“. Wir versuchen, jungen Leuten Mut zu machen, damit sie sich selbstbewusst in eigener Verantwortung etwas aufbauen. Zugleich sollten sie lernen, dass ihr Land eine äußerst wertvolle Ressource ist. Ein Schatz, der, wenn man ihn gut pflegt, langfristig auch wirtschaftliche Sicherheit bietet. Es gilt, die Verantwortung zu übernehmen, für das, was mit dem eigenen Leben passiert. Unsere Vision ist es, Menschen dabei zu unterstützen, ihr eigenes Potenzial zu leben, sich dadurch selbst zu verwirklichen und für sich selbst, ihre Familien und Gemeinschaften selbstbestimmt zu sorgen.

Das Internet hatte wohl den größten Einfluss auf unser Leben – leider nicht nur in positiver Hinsicht.

Wer probiert, gewinnt
Überall auf der Welt definieren Visionäre gerade das Mögliche neu. Vor allem die technologischen Innovateure sind wie auf Speed. Quasi jedes Jahr kann es fortan einen Gutenberg-Moment geben – den sprunghaften Markteintritt einer disruptiven Idee, die die Menschheit neu handeln lässt und damit die ganze Welt ein Stück weit verändert. Wer da nicht mitagiert, wird weginnoviert. Große Neuerungen können aber nur dort gelingen, wo es die passenden organisationalen Strukturen und Mindsets gibt. Kein Unternehmen wird Innovationssprünge erzielen, wenn es seine Mitarbeiter dafür belohnt, ihre Arbeit „at target, on budget, in time“ abzuliefern, also Punktlandungen auf vorgegebene Ziele zu machen. Im Neuland gibt es keine Erfolgsgarantien. Märkte, die noch nicht existieren, können nicht analysiert, höchstens hoffnungsvoll vorgedacht werden. Ein Alptraum für den klassischen Manager. Der will keine Abenteuer, sondern exakte Zahlen und einen fixen Plan, sozusagen eine Vollkaskoversicherung für neue Ideen. Das zwingt alle im Unternehmen zu Kleinmut und Konformismus. Wer Innovationen erschaffen will, die die Menschen tatsächlich in ihr Leben lassen, braucht eine Ausprobier- und Experimentierkultur, die das Neu- und Andersdenkendürfen für alle Beschäftigten zu einer tagtäglichen Selbstverständlichkeit macht. Die Zukunft der Unternehmen liegt in den Händen unkonventioneller Ideengeber, die mit jungem, wildem, kühnem Tun Umbrüche wagen.

Mit Sensoren gegen den Virus
Wir wollen wieder zur Normalität zurückkehren. Um die Pandemie zu bekämpfen, müssen Früherkennungssysteme in Verbindung mit schnellen, zuverlässigen und einfach anzuwendenden Tests verfügbar sein, die zudem anonymisiert mit dem Gesundheitssystem verbunden werden können. ams ist führend in innovativer Sensortechnologie, die professionelle Lösungen für das Personal am Point of Care – Ärzten, medizinisches Personal, Pflegekräfte – zum Nachweis von SARS-CoV-2-Viren und -Antikörpern bietet, um so die Ausbreitung von Infektionen zu verlangsamen. Unsere Spektralsensoren, die Farbe und Fluoreszenz in hoher Auflösung erkennen, werden in Antigen- und Antikörpertests zu finden sein, die fast so einfach zu benutzen sind wie ein Schwangerschaftstest (bekannt als Lateral Flow). Das optische Sensormodul erfasst die Intensität der für das menschliche Auge unsichtbaren Fluoreszenz mit wesentlich höherer Sensitivität im Vergleich zu den meisten Standardauslesegeräten für Schnelltests. Die kostengünstigen, schnellen und verwechslungssicheren Tests werden elektronisch ausgewertet und die Ergebnisse können zur statistischen Nutzung direkt an Organe des Gesundheitssystems übertragen werden. In Partnerschaft mit deutschen Medizintechnik-Spezialisten wie Senova und midge medical wird ams ab diesem Herbst Tests zur Früherkennung von COVID-19 verfügbar machen, die für höhere Sicherheit im täglichen Leben sorgen können.

Leiser Wandel
E-Autos haben heute schon viele Vorteile gegenüber konventionellen Fahrzeugen. Erstens sinken die Treibhausgas-Emissionen beim Fahren, auch wenn der deutsche Strommix genutzt wird. Ein Mittelklasse-E-Pkw verursacht mit durchschnittlich etwa 60 Gramm Treibhausgasen pro Kilometer nur ein Drittel der Emissionen eines vergleichbaren Dieselfahrzeugs. Denn man profitiert vom stetigen Zubau an erneuerbarem Strom in Deutschland. Allerdings ist die Herstellung der Elektrofahrzeuge energieaufwendig: Ein Mittelklasse-E-Fahrzeug startet das Fahrzeugleben im Schnitt mit rund sechs Tonnen höheren Emissionen als ein Verbrenner. Trotzdem hat das batteriebetriebene Auto bei 180.000 Kilometern im Vergleich zum Verbrenner etwa die Hälfte der Gesamtemissionen eingespart. Dies gilt für reine Elektrofahrzeuge. Bei Plug-in-Hybriden hängt der Umweltnutzen stark davon ab, wie viel tatsächlich elektrisch gefahren wird. Zweitens ist die Batteriekapazität heutiger Fahrzeuge deutlich gestiegen, sodass die elektrische Reichweite für die meisten Menschen im Alltag ausreicht. Für Urlaubsfahrten oder längere Dienstreisen kann eine Ausweichoption notwendig sein. Drittens können Elektroautos heute bereits deutlich günstiger sein als vergleichbare Verbrenner. Die Gesamtkosten aus Anschaffung, der Nutzungszeit und dem Wertverlust können aufgrund der aktuellen Kaufprämie bei einem Diesel um ein Drittel und bei einem Benziner um ein Viertel über denen eines E-Pkw liegen.

Auf dünnem Eis
Wissenschaft und Forschung werden auch weiterhin so viele Innovationen in unser Leben bringen, dass es unmöglich ist, sie hier zu benennen. Insbesondere Physik, Informationstechnik und Biologie bilden den Mutterboden, aus dem zahlreiche Innovationen wachsen werden. Vieles wird unser Leben erleichtern und hoffentlich die Erde vor weiteren Zerstörungen bewahren. Aber: Vieles wird auch unsere Lebensrisiken auf andere Weise steigern und Ursache großer Katastrophen sein können. So machen wir uns in Wirtschaft und Gesellschaft in einer Weise vom Funktionieren einer digitalen Infrastruktur und der erforderlichen Stromversorgung abhängig, dass zufällige oder feindlich veranlasste Störungen oder gar Ausfälle ganze Zivilisationen zusammenbrechen lassen können. Nicht nur die derzeitige Pandemie mit ihren sektiererischen Reaktionen zeigt, wie dünn das Eis ist, das wir Zivilisation nennen und auf dem wir uns so sicher fühlen.

Kreative Störungen
Innovation und Fortschritt können sich nur dann entwickeln, wenn die herrschenden Verhältnisse zugunsten neuer Ideen gestört werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Störung willkommen ist. Diejenigen, die am Status quo rütteln, sind die natürliche Bedrohung aller Komfortzonenbewohner und Vorrechteverteidiger. Wird jemand so richtig deutlich in seiner Absicht, die alten Denkroutinen zu hinterfragen, zeigen die meisten Organisationen Abstoßungsreaktionen. Damit sind wir beim entscheidenden Knackpunkt angekommen: Um nicht im Tiefschlafmodus des Erfolgs zu verharren, braucht es kreative Störungen des Normalbetriebs und Dauerskepsis am Weiter-so. Menschen, die diese Veränderung in ihren Organisationen vorantreiben, bezeichne ich als „Rebels at Work“. Gleichzeitig sorgen die Beharrungs-, Selbstselektions- und Konformitätskräfte dafür, dass die Geburtshelfer des Neuen marginalisiert werden, damit möglichst alles so bleibt wie es ist. Also greift man in den Organisationen, die um die Bedeutung der Veränderer wissen, zu einem Kunstgriff: Veränderer werden in Sonderprojekte, Inkubatoren oder unternehmenseigene Thinktanks gesteckt, wo sie vor den Konformitätskräften geschützt sind – und leider auch weit entfernt sind von der „normalen“ Organisation. Das kann man so machen, aber oberstes Ziel einer innovativen Organisation muss es sein, erst gar keine Schutzräume zu benötigen. Veränderung muss die neue Normalität werden.

Zeiten ändern sich
Das Gesundheitswesen befindet sich zwischen etabliertem Stillstand und disruptiven Sprüngen, zwischen Innovationsfeindlichkeit und medizinischer Meisterleistung, zwischen Mensch und Maschine. Als die Corona-Krise Anfang des Jahres auch Deutschland erreichte, ging es in einem Land der Dichter und Denker, in dem alles eigentlich gerne in aller Ruhe über Monate oder Jahre ausdiskutiert wird und alle erst einmal befragt werden müssen, dann doch ganz schnell. Innovationen im Gesundheitswesen wie Telemedizin oder digitale Patientenpfade haben einen Schub bekommen. Und so emanzipierte sich auch der Mensch und nimmt das Projekt „Gesundheit“ in den kommenden Jahren immer mehr selbst in die Hand. Der Mensch fordert den Einsatz von exponentiellen Technologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Virtual Reality/Augmented Reality oder Blockchain zunehmend ein. Wieso sollte das im Gesundheitswesen auch anders sein als in anderen Branchen? Das Gesundheitswesen als eher digital rückständiger Sektor hat das größte Potenzial von allen Branchen, was die Digitalisierung und die Innovationsfähigkeit betrifft. Das erleben wir diese Tage und die Kritiker sind verstummt. Vergleichen wir den heutigen Innovationsgrad und das vorhandene Potenzial der nächsten Jahre mit einer Bergwanderung, so sind wir erst am Fuße des Aufstiegs angekommen – denn gerade die Kombination der Technologien wird in den nächsten Jahren interessant.

Spielzeug 2.0
Für Kinder sind digitale Medien oft spannender als der Plüschteddy von der Tante. Damit die Spielwarenindustrie auch morgen noch mithalten kann und der Teddy nicht in irgendeiner Ecke verstaubt, habe ich 2019 mit zwei weiteren jungen Raumfahrtingenieuren das Startup Augmented Robotics gegründet. Wir wollen Tagträume, die wir als Kinder hatten, Realität werden lassen. Man stelle sich vor, das Wohnzimmer ist mit unzähligen Welten verbunden, das eigene Spielauto fährt darin umher und sammelt beispielsweise Goldmünzen ein, die plötzlich unter der Couch erscheinen. Das funktioniert, wenn virtuelle Inhalte mit der realen Welt verschmelzen. Auf dem Smartphone wird die analoge Welt der Spielwaren mit der Welt der digitalen Computerspiele vereint. Das Spielzeug kann virtuell oder real mit den digitalen Objekten interagieren. Die App scannt die Umgebung und erschafft eine virtuelle Welt, die auf dem Smartphone-Display in Echtzeit angezeigt wird − etwa ein Hindernisparcours, der mit dem Spielzeug bewältigt werden muss. Beim Starten unserer App öffnet sich außerdem ein Shop-System, auf dem Hersteller ihre Spielwaren anbieten können. Dabei ist das Schöne an Augmented Reality: Man nimmt der analogen Welt nichts weg. Wir verändern also mit unserer Innovation nicht die DNA des Spielzeugs. Wir fügen nur die digitale Komponente hinzu, die dann optional genutzt werden kann. Wir wollen Spielsachen nicht ersetzen, sondern revolutionieren.

Mehr Segen als Gefahr
Aus meiner Sicht wird bisher noch unterschätzt, welche Innovationen in der Medizin von der Künstlichen Intelligenz ausgehen werden. Die KI durchdringt alle Bereiche der Medizin gleichzeitig. Die Digitalisierung erlaubt eine immer präzisere Abbildung von anatomischen Strukturen bis hin zu molekularmedizinischen Prozessen. Bildgebung und Funktionsdiagnostik verschmelzen. Gleichzeitig kann KI die Präzision der Bilder dramatisch verbessern und die Aufnahmezeiten verkürzen. In der Diagnostik können KI-Systeme in Teilen eine Sensitivität und Spezifität für Differenzialdiagnosen ermöglichen, die von gut trainierten Ärzten nicht erreicht werden können. Durch die Vernetzung werden die entsprechenden Befunde überall im Gesundheitssystem zugänglich. Damit verbessert sich nicht nur die Kooperation der Disziplinen. Es wird auch immer leichter, qualifizierte Zweitmeinungen und Befundvergleiche einzuholen. Gleichzeitig werden diese Systeme für Training und Fortbildung von Ärzten eine unschätzbare Ressource sein. In der Medizin sind daher die meisten zum jetzigen Zeitpunkt absehbaren Einsatzgebiete der KI eher ein Segen als eine Gefahr. Schon die Analyse von großen Datenmengen zur Testung wissenschaftlicher Hypothesen für die Krankheitsentstehung ist ohne KI-Verfahren oft nicht möglich. Dabei wird KI nicht in Konkurrenz zum ärztlichen Personal stehen, sondern ein wichtiges Instrument zur Ergänzung und Verbesserung einer guten Medizin werden.

Der Weg ist noch weit
Digitalisierung ist als Schlagwort gerade in Zeiten der Corona-Pandemie in aller Munde. Durch diese besonderen Umstände konnte die Videosprechstunde plötzlich ohne Probleme durchstarten. Auch die Online-Terminvereinbarung und phasenweise die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Telefon wurden plötzlich möglich. Pragmatismus und Offenheit gegenüber technischen Neuerungen wurden zum Vorteil der Patienten normal. Aber was ist darüber hinaus passiert? Im Krankenhaus hat sich da bislang nur wenig bewegt. Einerseits fehlen die finanziellen Mittel, andererseits aber auch qualifiziertes Personal. Bei der finanziellen Ausstattung bewegt sich in naher Zukunft einiges, die Aufholjagd beim Personal wird noch dauern. Was bringt das den Patienten? Hoffentlich medizinisches und pflegerisches Personal, das dank besserer Technik weniger Zeit mit händischer Dokumentation verschwendet und sich daher besser um die Patienten kümmern kann. Und Patienten, die ihre Daten selber verwalten und datenschutzkonform anderen Leistungserbringern in anderen Sektoren zur Verfügung stellen können. Auch Angehörige von Patienten sollten dann bessere und zeitnahe Informationen über deren Status im Verlauf der Behandlung erhalten. All das sind Zukunftsvisionen, aber sie sind keineswegs neu. Die Kompromissbereitschaft durch Corona und die Bereitschaft der wichtigen Akteure, auch durch finanzielle Förderung die Digitalisierung voranzubringen, lassen neue Hoffnung aufkeimen.

Altes weicht Neuem
Ob Veränderungen durch Innovation für den Einzelnen ein Vor- oder Nachteil sind, sollte jeder für sich selbst entscheiden. Wobei sich diese individuelle Bewertung im Laufe der Zeit ändern kann. Zu bedenken ist, dass fast alle Entwicklungen nicht aufzuhalten sind. Zwei Beispiele: Es gibt momentan einen sanften Übergang vom analogen Brief hin zur virtuellen Nachricht. Den Brief wird nur der Empfänger lesen. Wer dagegen die Mail außer dem Empfänger liest, wird der Absender nicht erfahren. Zudem haben sich fast kryptische Abkürzungen eingebürgert. Die derzeitige Endstufe sind Smileys. Die Kunst des Schreibens mit seinen individuellen Ausdrucksformen durch verschieden weiche Bleistiftminen oder dem Füllfederhalter gerät in Vergessenheit. Bei den Mails versucht man dieses Manko durch Farben, andere Schrifttypen oder Fettdruck unzureichend auszugleichen. Oder nehmen wir die Innovationen beim Auto. Die absolut notwendigen Informationen beschränkten sich früher auf wenige Punkte wie Geschwindigkeit oder Tankinhalt. Heute besteht bei den vielen meist elektronisch übermittelten Informationen die Gefahr, dass der Fahrer unnötig abgelenkt wird oder sich in einer falschen Sicherheit wiegt, weil er der Elektronik völlig vertraut. Bei vielen Innovationen ist zudem eines zu berücksichtigen: Es werden private Daten erzeugt, von Dritten gespeichert und weiterverwendet.

Virtuelle Visite
Die medizinische Versorgung in Deutschland erlebt gerade einen Wandel: Wir sehen, wie wir Dank der Digitalisierung die Möglichkeit haben, den Zugang zur Gesundheitsversorgung einfacher, effizienter und medizinisch hochwertig zu gestalten. Einen großen Beitrag dafür liefern Videosprechstunden, die durch die Covid-19-Pandemie einen riesigen Nachfrageschub erlebt haben. Laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage können sich rund die Hälfte der Befragten vorstellen, Videosprechstunden zu nutzen. Warum auch nicht? Schließlich gibt es für Patienten und Ärzte viele Vorteile: Ärztliche Beratung ist beispielsweise über die App von Kry nahezu rund um die Uhr verfügbar – ohne lange Wartezeiten und Anfahrt. Zudem werden die Praxen entlastet und dadurch das Infektionsrisiko reduziert. Aus Ärztesicht spricht für den digitalen Arztbesuch, dass telemedizinische Beratung zeitlich flexibel und zeitsparend funktioniert. Durch Online-Sprechstunden können zudem neue Patienten gewonnen werden. Dabei wird die medizinische Qualität jederzeit durch interne Leitlinien, engen Austausch und Weiterbildung sichergestellt. Als Ärztin bin ich mir sicher, dass telemedizinische Beratungsleistungen schon bald ein selbstverständlicher Baustein des ärztlichen Portfolios sind. Patienten wie Ärzte werden sich selbstverständlich zwischen digitalen und analogen Angeboten bewegen und Hilfsmittel wie Telemedizin werden auch in der Gesundheitswelt Normalität.

Sehen heißt Leben
Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahr 2019 bräuchten rund 950 Millionen Menschen eine Brille, können sich aber keine leisten oder haben keinen Zugang zu augenoptischer Versorgung. Neben Problemen bei der Alltagsbewältigung bleibt den Betroffenen oft auch der Zugang zu Bildung und Arbeit versperrt – Armut ist damit vorprogrammiert. Um das zu ändern habe ich vor acht Jahren die Organisation Ein Dollar Brille gegründet. Ihr Ziel ist der Aufbau einer augenoptischen Grundversorgung und die Versorgung mit qualitativ hochwertigen, günstigen und vor Ort produzierten Brillen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dafür bilden wir lokale Fachkräfte in Optik, Brillenproduktion und Management aus. Die betroffenen Menschen erreichen wir unter anderem über eigene Shops und Augenkampagnen. Bis heute haben wir bereits über 260.000 Menschen in neun Ländern mit Brillen versorgt. Außerdem hat unsere Organisation in den Projekten rund 220 Arbeitsplätze geschaffen, darunter auch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Am meisten bewegen mich die Momente, wenn Menschen ihre neue Brille aufsetzen und vor Freude strahlen, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben richtig sehen können. Sobald die Corona-Krise es uns erlaubt, planen wir neue Projekte auch in Kolumbien und der Elfenbeinküste. Mit einer Spende, aber auch durch aktive Mitarbeit oder eine Partnerschaft können Sie unsere Arbeit unterstützen: www.eindollarbrille.de

Ungleich innovativ
In der heutigen Zeit bekommen wir doch kaum noch echte Innovationen zu sehen. Technische Neuerungen werden als Innovationen vermarktet und Jahr für Jahr kommt ein neues Smartphone oder ein neues Auto raus. Nach Definition mag das auch innovativ sein, aber jeden Tag mit neuem Schnickschnack zugekleistert zu werden, ist meiner Meinung nach alles andere als reformierend. Ich hätte gerne wieder jemanden, der sich traut, neue Wege zu gehen. Aber was wäre das Resultat? Innovationen fordern oftmals Opfer, schaut man sich etwa die Medizin an. Aber diese übersehen wir ja sehr gerne, damit wir ein paar Jahre länger leben können oder hunderte Euros in eigentlich sinnlose Technik stecken. Innovation ohne Profit wünsche ich mir, einfach mal der Welt etwas schenken, ohne etwas im Gegenzug zu verlangen. Wer traut sich mal so einen Schritt zu gehen?
Karl-Heinz Land, Strategieberater, Autor und Investor