
Was revolutioniert den Verkehr?
Vor ein paar Jahren machte ein chinesischer Anti-Stau-Bus Schlagzeilen, der auf Stelzen über Autolawinen hinwegschweben sollte. Nur stellte sich diese angebliche Verkehrsrevolution am Ende als Betrug heraus. Ein Glück, dass es da draußen jede Menge andere gute Ideen gibt. Schreiben Sie uns, welche davon das Zeug dazu hat, Mobilität auf links zu drehen.

Mehr Realitätssinn
Die „Verkehrsrevolution“ wird es nicht geben. Eine Revolution muss schnell gehen. Veränderungen der aktuellen Verkehrssysteme bräuchten Dekaden. Die Gründe dafür sind ausgiebig diskutiert worden, revolutionär sind davon nur wenige. Um den Verkehr, zu dem vor allem die selbstbestimmte individuelle Mobilität gehört, schnell und nachhaltig zu revolutionieren, bedürfte es einschneidender Maßnahmen. Einen Vorgeschmack dafür lieferte im Frühjahr dieses Jahres der Lockdown, der den Verkehr zwar nicht zum Versiegen, aber immerhin nur noch zum Tröpfeln brachte. Würde versucht werden, den Verkehr ebenso drastisch zu verändern, würde das scheitern. Wer einer Verkehrswende – ein viel diplomatischeres Wort als Verkehrsrevolution – näherkommen will, muss sich zunächst von der Ziel- und Maßnahmenkakophonie verabschieden und dann realistische Perspektiven aufzeigen. Wem nicht klar ist, wann was erreicht werden soll, der macht nicht mit. Geht es gegen den Lärm? Oder die Schadstoffe? Oder den CO2-Ausstoß? Oder generell gegen die Blechlawine? Oder wird etwa eine „Einheitsmobilität“ angestrebt? Und das ganze morgen oder erst in zehn Jahren? Und bleiben Fahrrad, Tempolimit und E-Auto die Heilsbringer oder gibt es doch Alternativen, die bei allen spontane Zustimmung hervorrufen? Bislang fehlt eine ideologiefreie und ehrliche Kommunikation der Mobilitätsziele und -möglichkeiten. Revolutionär wäre es, wenn diese auch realisiert würden.

Kraftstoff 2.0
In seiner jetzigen Form ist der Verkehr für einen substanziellen Teil der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ungefähr 25 Prozent der jährlichen Emissionen entfallen auf den Transport von Gütern und Personen. Bis heute sind Verkehr und Treibhausgasemissionen eng miteinander verzahnt: Wächst der Verkehrssektor, steigen die Emissionen und umgekehrt. Um dem Klimawandel zu begegnen, müssen wir es schaffen, diese beiden Bereiche voneinander zu trennen. Aber wie? Synthetische Kraftstoffe wären eine Möglichkeit, unser Emissionsproblem anzugehen. Rein technisch ist es möglich, CO2 aus der Luft zu extrahieren, zu verflüssigen und als Treibstoff für verschiedene Verkehrsträger einzusetzen. Damit entstehen keine neuen Kohlenstoff-Emissionen, sondern es werden bereits emittierte wieder und wieder im Verkehr eingesetzt. Sofern das CO2 nach Verbrennung direkt wieder aufgefangen und für die erneute Kraftstoffherstellung verwendet wird, ist diese Technik CO2-neutral. Für die Herstellung von synthetischem Kraftstoff benötigt man neben CO2 allerdings auch Wasser und erneuerbare Energie. Leider sind unsere erneuerbaren Energiekapazitäten bis heute nicht ausreichend und die Kosten für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen zu hoch. Aber irgendwie hat die Menschheit es ja geschafft, die Kosten für die Herstellung und Verteilung fossiler Kraftstoffe zu stemmen. Also schaffen wir das ja wohl auch, oder?

Auf der Bremse
Ich meide öffentliche Verkehrsmittel, so gut es geht. Sie sind unzuverlässig, durch Baustellen meist unterbrochen, überfüllt und beim kleinsten Husten möchte man wegrennen. Die Infrastruktur ist veraltet und die Politik hat seit Jahren geschlafen. Pläne über unterirdische Versorgungsrouten, Schnellbahnen in der Luft und der Umstieg auf E-Autos wurden nicht angegangen, denn die deutsche Wirtschaft liegt kulturell ein Jahrzehnt zurück – und der finanzielle Schaden wäre zu groß. Eine Revolution des Verkehrs beginnt in der Politik.

Ende einer Ära
Viele Jahrzehnte bildete das Auto den Fokus der Verkehrspolitik. Es war das Versprechen auf wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftliches Vorankommen. Dem Auto wurde daher unbedingte Vorfahrt eingeräumt, Einschränkungen im Verkehrsfluss sind legal kaum möglich, Fußgänger und Radfahrer bleiben im wahrsten Sinne Randerscheinungen. Das Ergebnis: Die Straßen sind voll und in den Städten parken Autos überall auf öffentlichen Flächen. In dem Moment, wo alles verstopft ist, der Verkehr nicht mehr fließt und die gesundheitlichen Belastungen größer und die Schäden für das Klima unbeherrschbar werden, verliert das Auto seine privilegierte Stellung. Eine einfache Maßnahme wird den Verkehr in den Städten revolutionieren: Das Parken privater Autos wird zunächst deutlich verteuert – zum Beispiel auf 150 Euro pro Jahr – dann wird der Parkraum verknappt und schließlich das dauerhafte Abstellen von Fahrzeugen auf öffentlichem Grund verboten. Wer ein Auto neu zulassen will, braucht zukünftig einen Nachweis über einen privaten Stellplatz. Das Auto verliert seine exklusive Rolle und ist nur noch ein Teil der Verkehrslandschaft. Diese Maßnahme ist keineswegs originell oder gar neu. Bis zum Bremer „Laternenparker-Urteil“ des Bundesverwaltungsgerichts im Jahre 1966 war das Parken auf öffentlichen Stellplätzen verboten. Es wurde lange Zeit zwar geduldet, aber legal war es nicht. Nun gilt es, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Strikte Beschränkungen und Maut wie in Singapur. Dazu Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Radwegenetzes.

Runter vom hohen Mobilitätsniveau
Der Umstieg auf die Elektromobilität hat begonnen und wird das Verkehrssystem nachhaltiger machen. Damit die breite Masse Elektroautos nutzt, brauchen wir eine Vereinheitlichung der Bezahlsysteme bei öffentlichen Ladestationen. Denn sichtbare und leicht nutzbare öffentliche Ladestationen können die sogenannte Reichweitenangst mindern – die Angst, mit dem Elektroauto nicht sein Ziel zu erreichen. Daneben ist ein weiter wachsender Gebrauchtwagenmarkt wichtig – vor allem für private Haushalte. Doch ein Umstieg auf alternative Antriebe reicht nicht aus für eine nennenswerte Reduktion der CO2-Emissionen im Verkehr. Wenn wir eine Klimakatastrophe abwenden wollen, müssen wir runter vom hohen Mobilitätsniveau. Ein Wandel der Mobilität ist möglich durch große gesellschaftliche Krisen wie die Corona-Pandemie oder die Klimakrise. Die Corona-Pandemie könnte einen kulturellen Wandel anstoßen, bei dem der Wert von Mobilität abnimmt. Anzeichen dafür gibt es nicht nur bei Privatpersonen, sondern auch in Unternehmen. Aber was wird das Reisen als Statussymbol ablösen? Das Smartphone? Sport und Fitness? Das Fahrrad oder neue Mobilitätsangebote? Solche neuen Angebote, wie Bike- oder Ridesharing, können auch zu einer Transformation der Mobilität beitragen. Dafür müssen diese Angebote populärer gemacht werden, etwa durch öffentliche Personen, die mittels sozialer Medien die Nutzung dieser Angebote vorleben.
Dienstlich mobil mit Elektro
Den Fuhrpark zu elektrifizieren und alternative Antriebe einzusetzen, treibt viele Unternehmen um. Das ist Herausforderung und Chance zugleich. Firmen verbessern ihre Ökobilanz und tragen damit aktiv zur Mobilitätswende bei. In jedem Fuhrpark sollte überprüft werden, wie die Emissionen reduziert und gleichzeitig die Mobilitätsanforderungen erfüllt werden können. Doch den Fuhrpark einfach austauschen, funktioniert nicht. Die Einführung von Elektromobilität bringt viele Anforderungen und einen großen Know-how-Bedarf mit sich. Von der passenden Finanzierungsform und steuerlichen Vorteilen über Abrechnungsmodalitäten und Unfallverhütungsvorschriften bis zu Versicherung und Datenschutz gilt es einiges zu beachten. Insbesondere die Ladeinfrastruktur bereitet Kopfschmerzen. In Deutschland gibt es hunderte Tarife für Autostrom. Fahrer von E-Autos benötigen deshalb eine Vielzahl von Identifizierungs- und Zahlungsmitteln, um bei Dienstreisen quer durch die Republik zuverlässig an Strom zu kommen. Das erschwert auch die Verwaltung von Fahrten. Der Dschungel aus Regelungen und Informationen kann schnell überfordern. Die Verantwortlichen müssen aber Bescheid wissen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Sorge bereitete, dass fokussierte Schulungen fehlten – das ist vorbei. Der Fuhrparkverband bietet nun Fleetricity, dröselt die komplexen Dimensionen der Elektromobilität im Fuhrpark auf und erleichtert den Einstieg.

Erst muss die Frage gestellt werden, warum der Individualverkehr so extrem erfolgreich ist. Er scheint kostengünstig zu sein, jederzeit verfügbar, verspricht Prestige und einen Wow-Faktor. Zudem ist ein Leben auf dem Lande so nahezu ohne Einschränkung möglich. Also muss die Revolution indirekt geschehen und keinesfalls diese Vorzüge beschneiden. Die wahren Kosten müssen benannt und entsprechende Gebühren und Steuern auch erhoben werden. Mit den Argumenten des Klimaschutzes ist dies auch möglich, da die Bedrohungen durch den Klimawandel vermutlich noch einschneidender sein werden als die derzeitigen durch die Pandemie. Ganz oben auf der Liste: wasserstoffbasierte Fahrzeuge zur Verfügung stellen, sprich entsprechende Tankstellen einrichten. Natürlich sind die nicht umsonst, aber deutlich günstiger als herkömmliche Fahrzeuge. Das Argument der schlechten Energiebilanz des Wasserstoffs in der Herstellung zieht nach meiner Beobachtung nicht, wenn man bedenkt, wie viele Windräder bei günstigem Wetter stillstehen müssen wegen angeblicher Überproduktion von Strom. Der Prestigefaktor bliebe erhalten, ebenso das Leben in der Natur, ohne die Umwelt zu verpesten. Diese Lösung halte ich für praktikabel. Sie ist schnell umsetzbar und auch realistisch, weil, wenn ich mich im Bekanntenkreis umhöre, das Wort Wasserstoff sofort ein positives Image genießt.

Alles Gute kommt von oben?
In Deutschland werden täglich fast zwölf Millionen Pakete zugestellt, man mag sich nicht ausmalen wie der Himmel aussehen würde, sollte man diese zukünftig per Drohne zustellen wollen. Von dem entstehenden Chaos auf Gehwegen mangels geeigneter Übergabemöglichkeiten ganz zu schweigen. Drohnen haben ihre Stärken immer da, wo sie Dinge überfliegen, indem sie dadurch schneller sind oder neue Blickwinkel ermöglichen. Und genau dort sollten sie eingesetzt werden: So setzen größere Produktionswerke Drohnen wirtschaftlich ein, um Bauteile im Notfall an das Band zu transportieren. Der Standardprozess läuft dabei weiterhin über Gabelstapler und Förderbänder, die Drohne springt nur dann ein, wenn es dabei zu unvorhergesehenen Problemen kommt. Auch werden Proben zwischen Laboren geflogen oder schwer erreichbare Orte wie Schiffe mit Drohnen beliefert. Neben dem Transport können Drohnen Daten von Orten sammeln, welche ansonsten nur schwer zugänglich sind. Sie erledigen im Lager Inventurprozesse und dokumentieren, ganz nebenbei, den Zustand der Ware mit einem Foto. Dabei entstehen auch schon Mehrwerte, wenn die Drohne noch durch einen Menschen gesteuert wird, etwa bei der Inspektion von Regalen. Es gibt sie also, die sinnvollen Anwendungen für Drohnen in der Logistik. In der Diskussion um diese zweifellos zukunftsträchtige Technologie würde uns daher an mancher Stelle ein wenig (betriebswirtschaftlicher) Realitätssinn gut zu Gesicht stehen.

Das fühlende Auto
Angesichts der kontinuierlichen Zunahme von nachhaltigen Mobilitätsformen wie beispielsweise Carsharing, insbesondere in Ballungsräumen, sollten Anbieter wissen, wer wann im Auto sitzt. Nicht nur zu Abrechnungszwecken, sondern auch aus Gründen der Sicherheit und der Einhaltung strikter Vorschriften sind zuverlässige Methoden notwendig, um sicherzustellen, dass die Person hinter dem Lenkrad die Person ist, die das Auto gebucht hat. Die 3D-Sensortechnologie von ams ermöglicht Automobilherstellern und Leasingfirmen, den Fahrzeuginnenraum zu beobachten, indem sie den Fahrer und sein Verhalten erkennt und erfasst: Sind beide Hände am Lenkrad? Wird das Fahrzeug aktiv gesteuert? Ist der Blick auf die Straße gerichtet? Stimmt das gemessene Gewicht mit den Airbag-Systemeinstellungen überein? Neben all diesen Parametern erkennt unsere Sensorik zudem Gegenstände und Insassen auf dem Rücksitz und ermöglicht basierend auf diesen erfassten spezifischen Informationen, die Sicherheit aller Personen im Auto zu optimieren – nicht nur für den Fahrer, sondern etwa auch für mitreisende Kinder. Die im Jahr 2019 von der EU-Kommission erlassenen Vorschriften machen solche umfangreichen Assistenzsysteme für neu entwickelte Fahrzeuge zur Pflicht, um eine deutliche Steigerung der Sicherheit zu erzielen. Diese Maßnahmen werden Allgemeine Sicherheitsverordnung genannt und müssen der EU-Kommission zufolge ab 2022 serienmäßig für Neufahrzeuge umgesetzt werden.

Bereit für den großen Wurf
Der schienengebundene Verkehr kann nur durch Menschen revolutioniert werden – wenn beispielsweise Reisende pünktlichere und häufigere Angebote fordern, Politiker Maßnahmen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit ermöglichen und Ingenieure die Chancen in neuer Technik erkennen und diese in Systeme umsetzen. Das Eisenbahnsystem ist historisch gewachsen. Es ist auch heute organisatorisch und technisch vielen älteren Prozessen und Systemen verbunden. Wir leben in einer Zeit, die es aufgrund neuer Möglichkeiten der IT-Welt, wie Rechenleistung, Speicherkapazität, Virtual Reality oder Künstlicher Intelligenz, erlaubt, das System mittelfristig zu revolutionieren. Viele kleine Schritte wurden schon gemacht. Die Modellierung der Infrastruktur in 3D, automatisches Fahren bei U-Bahnen und Augmented Reality in der Instandhaltung sind bereits realisierte Konzepte auf dem Weg zu einem modernen Bahnsystem, in dem Züge pünktlicher, häufiger und schneller fahren und indem neue und attraktive Arbeitsplätze entstehen. Was wir jetzt brauchen, sind klare rechtliche Rahmenbedingungen, um auf dem eingeschlagenen Weg weiterzugehen und das, was im Moment nur an Ideen und Prototypen existiert, in den regulären Betrieb zu überführen. Gleichzeitig ist der Reisende gefordert, neuen Angeboten und Techniken eine Chance zu geben.

Anreize setzen
Letztlich sind es unsere Gewohnheiten, die den Verkehr prägen. Ich denke hier beispielsweise an die kurzen Wege, die wir mit dem Auto oder per Fahrrad zurücklegen. Und an die Wahl des Reisegefährts, vom Auto über das Flugzeug und die Bahn bis hin zum Schiff und darüber hinaus. Aber auch die Politik nimmt fortlaufend Einfluss auf unsere Verkehrsgewohnheiten. Die finanzielle Unterstützung von Pendlern beispielsweise fördert natürlich das Verkehrsaufkommen im Straßenverkehr. Die Revolution im Verkehr wird letztlich von unseren geänderten Bedürfnissen ausgehen.

Stoff für die Zukunft
Um den Verkehr zu revolutionieren, werden wir nicht nur eine Technologie brauchen. Im Kontext der Energiewende sehen wir uns mit vielen Herausforderungen und Chancen konfrontiert. Um fit für die Zukunft zu sein, müssen wir technologieoffen denken. Im Sinne einer Mobilität ohne Emissionen ergänzen sich Brennstoffzellen- und Batterie-elektrische Fahrzeuge ideal. Entscheidend ist immer die Anforderung an das jeweilige Streckenprofil oder Fahrmuster. Die Clean Energy Partnership (CEP) setzt sich als branchenübergreifende Industrieinitiative für eine Mobilität mit Wasserstoff und Brennstoffzelle ein. Tiefgreifende Veränderungen funktionieren nur im Team. Aus gutem Grund agieren wir Partner daher in einer zukunftsorientierten und stark gestalterischen Zusammenarbeit, jenseits von Wettbewerbsgrenzen. Denn wir wissen, dass Wasserstoff einen bedeutenden Beitrag zu einer erfolgreichen Energie- und Verkehrswende leistet. Angefangen bei Pkw, über den ÖPNV und Lkw bis hin zu Schiffen und Zügen. Die H2-Mobilität mit ihrer mit konventionellen Antriebsformen vergleichbaren Wertschöpfungstiefe kann eine tragende Säule der deutschen Wirtschaft sein. Jetzt gilt es im Schulterschluss von Politik und Industrie, die regulatorischen Rahmenbedingungen für eine zeitnahe Etablierung am Markt und die wirtschaftlich abbildbare Produktion grünen Wasserstoffs zu schaffen. Wasserstoff ist Teil der Lösung. Dieses Potenzial müssen wir nutzen – gemeinsam.

Ein System für alle
Die Revolution muss und wird in unseren Köpfen stattfinden – oder eben nicht. Unsere Ansprüche an individuelle Fortbewegung bestimmen heute und künftig den Verkehr. Ein Beispiel: In Städten haben individuelle Pkws einfach nichts verloren. Kern ist ein sehr gut ausgebauter ÖPNV, hinzu kommen moderne Sammeltaxis – beides künftig elektrisch und autonom. Das Netz ist so dicht und miteinander verknüpft, dass kein Nutzer weiter als 200 Meter bis zu einem Haltepunkt gehen und länger als fünf Minuten warten muss. Der Nutzer gibt in einer App lediglich seinen Standort und das Ziel ein. Intelligente Software berechnet den optimalen Weg und fordert bei Bedarf ein Sammeltaxi an. Jeder kommt mit diesem System schneller und kostengünstiger ans Ziel als mit dem eigenen Pkw. Sämtliche Parkflächen entfallen und können für andere Zwecke genutzt werden. Straßen brauchen nur mehr eine Fahrspur je Richtung und Randspuren für Ein- und Ausstieg, Liefer- und Abholverkehr. Die Straßen können teilweise zurückgebaut werden und stehen für Radfahrer, Fußgänger und städtisches Grün zur Verfügung. Auf eine umfangreiche elektrische Ladeinfrastruktur kann verzichtet werden. Pkws werden nur mehr für Individualverkehr in der Fläche und für Freizeitaktivitäten dorthin benötigt. Das funktioniert dann vielfach durch Carsharing oder Mietautos. Aber auch auf dem flachen Land vermindern regionale Mitfahr-Apps den individuellen Pkw-Gebrauch. Revolutionär, oder?

Digital unteilbar
Seit dem Vertrag von Paris 1951 geht es in Europa um Freihandel und Warenverkehr. Es handelt sich dabei in erster Linie um ein Netzwerk – sowohl materiell als auch abstrakt. Ein gemeinsamer Markt, eine gemeinsame Währung, eine gemeinsame Politik und eine gemeinsame Infrastruktur – all dies wurde durch die Beseitigung von Schranken effizienter gestaltet. Das hat bis heute gut funktioniert. Aber es geht noch besser, dank der Digitalisierung. Netzwerke sind nämlich manchmal überlastet. Staus in den Städten, Verspätungen auf der Schiene, überfüllter Luftraum. Der Vorschlag der Kommission zum einheitlichen europäischen Luftraum etwa wird zu einem leistungsfähigeren Flugverkehrsmanagement führen. Ein digitales, einheitliches Verkehrsleitsystem wird die Flugstrecken in Europa erheblich verkürzen – und zu niedrigeren Flugpreisen und geringeren Emissionen führen. Ein solcher Ansatz wäre ohne Digitalisierung unmöglich. Ebenso unmöglich wäre es, ihn zu realisieren, wenn es mit der EU nicht einen Rahmen gäbe, in dem alle Akteure miteinander verhandeln können. Eine größere Digitalisierung im Bereich Verkehr und Mobilität wird den Zusammenhalt und die Effizienz der EU erheblich erhöhen. Vor 70 Jahren ging es bei dem Projekt der europäischen Einigung um eine Vernetzung der Volkswirtschaften. Die Digitalisierung schweißt diese jetzt zu einem einzigen zusammenhängenden Konstrukt zusammen, das sich nicht mehr in seine Einzelteile zerlegen lässt.

Mehr Verkehr wagen
Technisch wäre die Erschließung des Luftraums durch autonome E-Taxis die bevorstehende und sinnvolle Revolution, weil sie eine bessere Verteilung des Verkehrs ermöglichen würde. Aber die deutschen Verkehrsbehinderer werden diesen Modus, wie gewohnt juristisch, verhindern. Man soll aber doch nicht so tun, als ginge es überhaupt um Technik zur Verbesserung des Verkehrs, wenn in den hiesigen Großstädten seit Jahrzehnten alle getroffenen Maßnahmen die Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse zum Ziel haben. Administrativ-regulatorisch wäre es eine gleichwertige Revolution, den Verkehr sich selbst steuern zu lassen, wofür nun ebenfalls die Technik verfügbar wäre: Aggregatoren sammeln die Daten der Verkehrsflüsse, aufgrund derer Ampelschaltungen und Spurzuweisungen optimiert werden. Verkehr als selbstorganisierendes System – das wäre tatsächlich ein neuer Denkansatz. Aber auch diese Revolution wird nicht stattfinden, weil sie selbstverständlich mehr Verkehr ermöglicht und damit dem vorgängigen Ziel der Verkehrsbehinderung genau entgegenarbeitet. Wozu also sollte man eine Revolution im Verkehr brauchen oder erwarten, wenn dem Verkehr ohnehin das Existenzrecht abgesprochen wird.

Wer braucht da eine Revolution?
Technisch wäre die Erschließung des Luftraums durch autonome E-Taxis die bevorstehende und sinnvolle Revolution, weil sie eine bessere Verteilung des Verkehrs ermöglichen würde, aber die deutschen Verkehrsbehinderer werden diesen Modus, wie gewohnt juristisch, verhindern. Man soll aber doch nicht so tun, als ginge es überhaupt um Technik zur Verbesserung des Verkehrs, wenn in den hiesigen Großstädten seit Jahrzehnten alle getroffenen Maßnahmen die Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse zum Ziel haben. Administrativ-regulatorisch wäre es eine gleichwertige Revolution, den Verkehr sich selbst steuern zu lassen, wofür nun ebenfalls die Technik verfügbar wäre: Aggregatoren sammeln die Daten der Verkehrsflüsse, aufgrund derer Ampelschaltungen und Spurzuweisungen optimiert werden. Verkehr als selbstorganisierendes System - das wäre tatsächlich ein neuer Denkansatz. Aber auch diese Revolution wird nicht stattfinden, weil sie selbstverständlich mehr Verkehr ermöglicht und damit dem vorgängigen Ziel der Verkehrsbehinderung genau entgegenarbeitet. Wozu also sollte man eine Revolution im Verkehr brauchen oder erwarten, wenn dem Verkehr ohnehin das Existenzrecht abgesprochen wird.
Andreas Keßler, Auto-Journalist