
Wie gelingt der Alltag mit Diabetes?
Es gibt Diagnosen, die das ganze Leben verändern. Diabetes ist eine davon. Wer ständig seinen Blutzuckerspiegel im Auge behalten muss, kann sich nicht einfach mal so treibenlassen. Oder etwa doch? Schreiben Sie uns, wie Sie Ihren Alltag mit Diabetes meistern – und wie es sich trotz Diagnose gut leben lässt.

Mehr Zeit im Zielbereich
In den letzten Jahren hat sich die Kinderdiabetologie als Vorreiter in der Entwicklung und Nutzung von Diabetestechnologie erwiesen. Bereits heute verwenden über 50 Prozent aller Patienten unter 18 Jahren eine Insulinpumpe – im Kleinkindalter sind es sogar über 95 Prozent. Sowohl bei Pumpen- wie auch Pentherapie nimmt die Nutzung von kontinuierlichen Glucose-Messgeräten (CGM) zur Stoffwechselüberwachung rasant zu. Seit 2016 ist CGM für Menschen mit Diabetes, die einer intensivierten Insulinbehandlung bedürfen, eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Mithilfe von CGM kann die Blutzuckereinstellung häufig deutlich verbessert werden. Zusätzlich geben Trendpfeile die Richtung der Glukoseänderung an, sodass für eine Einschätzung der aktuellen Situation nicht nur der aktuelle Wert, sondern vielmehr der Trend der Glucosespiegel-Entwicklung (stabil, abfallend oder ansteigend) herangezogen werden kann. Damit man durch die vielen täglichen Glukosekurven nicht verwirrt wird, hat sich die Analyse der sogenannten „Zeit im Zielbereich“ bewährt. Zur besseren Vergleichbarkeit der Werte vor und nach einer Therapieänderung wird die prozentuale Zeit, die im Verlauf der 24 Stunden zwischen Glukosewerten von 70 bis 180 mg/dl (3,9 bis 10 mmol/l) liegt, als Bewertungsgröße für CGM von der zugehörigen Software berechnet. Es bleibt zu hoffen, dass immer mehr Menschen von den Neuerungen der Diabetestechnologie profitieren.

Eine Ehe zu dritt
Mein Mann feiert im Corona-Jahr ein Jubiläum: 50 Jahre Typ-1-Diabetes, 45 davon mit mir gemeinsam. Diese Entwicklung von der Pferdekutsche zum Porschefahren hat nichts von dem Edgar-Wallace-Krimi, bei dem sich Klaus Kinski zitternd die rettende Insulinspritze in den Oberschenkel rammt. Obwohl unser Leben auch filmreif wäre: vom Auskochen der Glasspritzen über den Pen bis zur Insulinpumpe mit Sensor zum Zuckermessen im Oberarm. Zum Vergleich: 2.500 Fingerstiche pro Jahr vor der Sensorzeit und etwa 40.000 Spritzen insgesamt. Wie man das schafft? Das Wichtigste: Bescheid wissen über Diabetes und den Körper, über Kohlehydrate und angepasste Insulinmengen sowie eine Portion Glück. Noch wichtiger: Diabetes als Teil des Lebens annehmen, dann kann man ihn einigermaßen kontrollieren und der Diabetes kontrolliert nicht das eigene Leben. Übrigens: Gefahr für Leben und Beziehung lauert bei Diabetikern in Unterzuckerungen mit Verwirrtheitszuständen, aggressivem Leugnen des Problems und schlimmstenfalls Bewusstlosigkeit. Bei Normalwerten von 120 mg/dl wird es schon ab 50 mg kritisch. Das geht manchmal schnell. Da reichen einige Treppenstufen oder ein Spaziergang. Dem diskret geflüsterten Hinweis „Traubenzucker essen“ kann schon mal ein unter Hypoglykämieschock laut gebrülltes „Lass mich mit deinem blöden Essen in Ruhe“ folgen – und mit ihm sämtliche Blicke der Umgebung. Das Gute: Diese Beziehungskrise ist mit Traubenzucker oder Saft zu beheben.

Im richtigen Umfeld
Dank moderner Medikamente und neuer technischer Möglichkeiten ist es Menschen mit Diabetes heute möglich, ein annähernd „normales“ Leben zu führen. Dennoch ist ein Leben lang ein bewusster Umgang mit der Krankheit notwendig, sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes. Gesundes Essen und regelmäßige Bewegung spielen dabei eine zentrale Rolle. Hier wird es politisch. Denn das persönliche Verhalten hängt maßgeblich von der Umgebung ab, in der sich der Einzelne bewegt: Ist eher gesundes Essen günstig verfügbar oder ungesundes? Wozu animiert die Werbung? Diese Fragen sind natürlich rhetorisch, denn bisher überwiegen im Alltag deutlich die Anreize für ungesundes Essen. Da ist es kein Wunder, dass es viele Betroffene trotz bestem Willen nicht schaffen, ihren Lebensstil umzustellen. Hier ist daher auch die Politik gefordert: Ungesundes muss teurer werden, etwa durch eine Abgabe auf gezuckerte Softdrinks, und Gesundes kostengünstiger, zum Beispiel durch die Streichung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse. Zudem braucht es eine verständliche Lebensmittelkennzeichnung und ein Verbot von Kinderwerbung für ungesunde Produkte. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass solche bevölkerungsweiten Maßnahmen am meisten dazu beitragen, dass Menschen sich gesünder ernähren. Deshalb setzt sich die Deutsche Diabetes Gesellschaft seit langem auch für politische Maßnahmen zur Eindämmung von Übergewicht ein. Auch das ist Prävention von Diabetes.

Leben lernen
Der Alltag wird heute in vielen Bereichen durch den Einsatz von moderner Technologie erleichtert – das trifft umso mehr für die Behandlung des Typ-1-Diabetes zu. Wenn Betroffene früher mindestens sechs- bis zehnmal täglich einen Blutzuckertest durchführen mussten, wird ihnen heute Ihre Lebensqualität unglaublich durch den Einsatz der kontinuierlichen Glukosemessung verbessert. Diese kleinen Sensoren, die einmalig ins Unterhautfettgewebe platziert werden, messen nicht nur kontinuierlich den Gewebezucker, sondern senden auch bei zu hohen oder zu niedrigen Werten Alarmsignale an den Nutzer. Sie sind besonders nachts wie ein Schutzengel, die über einen sicheren und beruhigten Schlaf wachen. In Kombination mit entsprechenden Insulinpumpen reduzieren oder erhöhen diese Systeme sogar die Insulinausschüttung und verhindern so meistens, dass es überhaupt zu schweren Stoffwechselentgleisungen kommen kann. Wie gut diese Systeme arbeiten, hängt immer vom Engagement, der Motivation und dem Wissensstand des jeweiligen Nutzers ab. Denn um von dieser innovativen Technologie profitieren zu können, braucht es weiterhin die Bereitschaft, sich entsprechend schulen und weiterbilden zu lassen, sich motiviert und engagiert täglich mit seinem Diabetes zu beschäftigen, mit Disziplin und Ausdauer. Denn auch mit diesen neuen technischen Hilfsmitteln bleibt es eine Frage der persönlichen Einstellung, wie man mit dieser chronischen Stoffwechselerkrankung lebt.

Mit gelingt das Leben mit Diabetes gut, denn ich treibe viel Sport, bewege mich viel und mache morgens Gymnastik. Dazu gesunde Ernährung mit viel Haferprodukten, frischem Gemüse und Rohkost. Und regelmäßige Checks. So komme ich gut durchs Leben.

Wir Alltagsmeister
Puh, heute morgen bin ich wie gerädert aufgestanden. In der Nacht gab es Alarm: Mein Blutzuckerwert war im Keller. Ich bin mir keiner Absicht bewusst, denn der Tag gestaltete sich wie (fast) immer. In der vorigen Nacht war der Blutzucker noch stabil. Aber auch das gehört zum Leben mit Diabetes. Man muss lernen, mit dem Unvorhergesehenen umzugehen, denn der Alltag will laufen. Ich schaue jetzt auf 61 Jahre Erkrankung mit Diabetes mellitus Typ 1 zurück. Jeder Tag ist geprägt von Messen, Abschätzen, was zu tun ist, dem Berechnen der Kohlenhydrate zu jeder Mahlzeit (oder man lässt sie weg), dem Spritzen von Insulin. Ich denke nach, was ist noch alles zu tun. Heute ist das viel einfacher als in meiner Kindheit. Damals mussten etwa Nadeln und Spritzen noch ausgekocht werden. Alltag mit Diabetes bedeutet, tägliche Regeln diszipliniert einzuhalten, sonst geht das schief. Dennoch lasse ich mein Leben nicht von der Krankheit bestimmen. Das dies nicht immer ganz einfach ist, wird man mir jedoch kaum ansehen, weil Diabetes eine weitestgehend „unsichtbare“ Krankheit ist. Zum Glück gibt es lebensrettendes Insulin, Spritzen, Pens, Insulinpumpen. Es gibt viele neue Blut- und Gewebemessmöglichkeiten und keine Verbote mehr. Es wäre aber für jeden Betroffenen wunderschön, wenn die Wissenschaft hinter das Geheimnis des Autoimmungeschehens käme, um zu erfahren, was der auslösende Trigger ist. In diesem Sinne, Kopf hoch.

Alltag auf Drahtseilen
Sonntagmorgen beim Bäcker: „Och bitte“, höre ich mein Kind sagen. Es schaut mich mit großen Augen an. „Na gut, ausnahmsweise“, sage ich. Zwei Spritzkuchen mit dicker Zuckerkruste landen in der Tasche. Am Nachmittag tafelt das Kind für sich auf: die zwei Spritzkuchen, dazu ein großes Glas Milch. Es sitzt am Tisch und strahlt. Das Mittagessen liegt schon eine Weile zurück. Wir haben extra großzügig gespritzt. Es ist Wochenende, da ist der Insulinbedarf immer höher. Nach elf Jahren mit Diabetes Typ 1 weiß man das. Das Kind misst seinen Blutzucker. 339. Es ist nur eine Zahl. Für das Essen eine viel zu hohe Zahl. Die Gesichtszüge meines Kindes frieren ein. Es ist nicht nur eine Zahl. Es schaut mich enttäuscht an. Ich sehe, wie die Seele meines Kindes zuckt. Sie braucht jetzt diesen Spritzkuchen. Ich denke kurz an Folgeschäden. Dann daran, dass der Fettgehalt des Spritzkuchens die Aufnahme der Zuckerkruste vielleicht ein wenig verzögern wird. Vielleicht. 339. Ich atme tief ein. Und wieder aus. „Na gut“, höre ich mich sagen. Kein ausnahmsweise. Ich gebe ihm einen Kuss auf die Stirn. „Na gut, Kompromiss. Einer jetzt, einer später.“ Das Strahlen meines Kindes kehrt langsam zurück. Das Leben besteht aus Kompromissen, denke ich. Das Leben mit Diabetes sowieso. Man wechselt ständig zwischen körperlichen und seelischen Bedürfnissen hin und her. Diesmal darf die Seele zu ihrem Recht kommen. Die Seele meines Kindes lächelt mich an. Ich lächle zurück.

Mein zweites Leben
Mit 31 Jahren hatte ich einen schweren Verkehrsunfall, als dessen Folge ich nach einem Schock Typ-1-Diabetiker wurde. Damit begann dann auch das tägliche Insulin-Spritzen. Da ich vom Leistungssport kam, habe ich mich aber weiterbewegt, sodass es mir gelang, nicht nur Halbmarathon zu laufen, sondern auch das Goldene Sportabzeichen zu erwerben. Das habe ich vor vier Jahren mit 80 Jahren zum 18. Mal geschafft, wobei ich mittlerweile durch einen Bizepseinriss im linken Oberarm leider nicht mehr weitermachen konnte. Auch ist es mir gelungen, bei der DLRG meinen Leistungsschein zu erwerben. Mit meinen mittlerweile 84 Jahren war ich bis Ende März als Handelsvertreter selbstständig. Ich kann nur jedem Diabetiker empfehlen, Disziplin zu üben. Durch ständige Bewegung gelingt es, den Zucker im Griff und damit stabil zu halten.

Besser im Blick
Für Menschen mit Diabetes Typ 1 muss mittels Insulingabe dafür gesorgt werden, dass der Blutzucker angemessen stabil gehalten wird. Blutzucker aus Nahrungskohlenhydraten ist die Hauptenergie für den Körper. Seit 2016 ist es durch einen kontinuierlichen Glukose-Sensor möglich geworden, Muster zu identifizieren und damit eine langfristige Therapiequalität zu sichern. Beurteilt wird sie mit dem neuen Messwert „Time in Range“ (TIR), die „Zeit im Zielbereich“. Diese gibt den Anteil der Zeit im Tagesverlauf an, in der die Glukosewerte im gewünschten Bereich von 70 bis 180 mg/dl liegen. Die TIR sagt also in einer Zahl aus, wie die Glukosewerte über den Tag oder einen definierten Zeitraum variieren. Für eine erfolgreiche Therapie sind TIR-Werte von mehr als 70 Prozent anzustreben. Von solchen sensorbasierten Messungen können wirklich alle Menschen mit Diabetes profitieren. Besonders bei Kindern und Jugendlichen hat sich diese neue Technik in Deutschland schnell etabliert. Das liegt vor allem daran, dass bei Heranwachsenden der Stoffwechsel je nach Wachstumsphase enorm schwanken kann und der Insulinbedarf und die Therapie ständig angepasst werden müssen. Viele Studiendaten belegen, dass sich durch eine solche Sensormessung in Kombination mit einer Insulinpumpe, die eine teilautomatische Insulinabgabe ermöglicht, die TIR sowie der Langzeitzuckerwert (HbA1c) im Vergleich zu bisherigen Therapien deutlich verbessern lässt.

Hilfe in der Fläche
Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Bewegung und gesundem Essen ist wichtig, um einem Diabetes Typ 2 vorzubeugen. Dies sind auch die ersten therapeutischen Maßnahmen, um den erhöhten Blutzucker dauerhaft zu senken und zu kontrollieren. Hierbei ist der Patient besonders gefordert, denn seine Motivation ist entscheidend für den Erfolg. Bei einem fortgeschrittenen Typ-2-Diabetes, bei dem der Körper nicht mehr ausreichend Insulin produziert, sowie bei einem Diabetes Typ 1, der meist in frühen Lebensjahren auftritt, reicht eine Lebensstilanpassung allein nicht aus. Hier gehören die unverzichtbare Insulintherapie und mehrmals tägliche Blutzuckerkontrollen lebenslang dazu. Betroffene müssen ihre Tagesaktivitäten mit Essen, Sport und allem anderen genau planen und eigenverantwortlich mit ihrer Therapie umgehen. Diese Herausforderungen können Ängste und Unsicherheiten hervorrufen, bei denen ein Diabetes-Team und oft das soziale Umfeld helfen können. Auch hier sind Motivation, Vorausschau und Rückgriff auf gute Erfahrung für alle Menschen mit Diabetes hilfreich. Daher sollten Betroffene uneingeschränkt und nahtlos ambulante sowie stationäre medizinische und psychologische Hilfe erhalten können. Hier leisten Diabetes-Abteilungen viel und dürfen nicht aus ökonomischen Gründen „wegrationalisiert“ werden. Die über sieben Millionen von Diabetes in Deutschland Betroffenen brauchen eine flächendeckende Versorgung, um Lebensqualität zu erhalten.

Ist Typ-2-Diabetes heilbar?
Bisher galt: einmal Diabetes, immer Diabetes. Doch für den Typ-2-Diabetes gibt es nun wissenschaftliche Studien, die belegen, dass diese Erkrankung durch eine radikale Änderung des Lebensstils besiegt werden kann. Von Heilung sollte man nicht sprechen, denn wenn man in alte Verhaltensmuster zurückfällt, kommt die Erkrankung zwangsläufig zurück. In Studien aus England, aber auch aus Katar war der vorübergehende Einsatz von Proteinshakes – sogenannten Formuladiäten – der Schlüssel zum Erfolg. 70 Prozent der Personen, die im Mittel bereits vier Jahre an einem Typ-2-Diabetes erkrankt waren und zum Teil mehrere Diabetesmedikamente einnehmen mussten, konnten nach einer Gewichtsabnahme von 15 Kilogramm den Diabetes besiegen. Um nach der Gewichtsabnahme die Erfolge zu bewahren, ist eine Low-Carb-Ernährung sehr hilfreich. Zusätzlich sollten die Betroffenen die körperliche Aktivität deutlich steigern. Nach unseren Erfahrungen mit diesem Ansatz ist es sogar möglich, bei sehr übergewichtigen Patienten mit Typ-2-Diabetes eine Insulintherapie zu beenden. Diese neuen Erkenntnisse werden es aber in der klinischen Praxis nicht einfach haben, denn die „sprechende Medizin“ wird unzureichend honoriert und die finanziellen Anreize, früh Insulin zu verordnen, sind nicht nur bei Ärzten, sondern auch bei den gesetzlichen Krankenkassen hoch. Die Forschungsdaten zeigen aber, dass ein Umdenken dringend notwendig ist.

Den Ursachen auf der Spur
Stell dir vor, du hast Diabetes und niemand findet es heraus. Das passiert häufiger, als viele vermutlich denken. Tatsächlich lebt eine große Zahl von Menschen mit Diabetes, ohne es zu wissen. Während ein Leben mit der Diagnose Diabetes große Herausforderungen für Patienten birgt, nimmt ein Leben ohne Diagnose jede Chance zur Kontrolle der Krankheit und zur Minimierung ihrer Folgen. Das Problem ist, dass ein großer Teil dieser Menschen auch durch empfohlene, klinisch etablierte Tests nicht auffällt. Sie haben eine isolierte metabolische Störung der Zuckertoleranz, die nur durch einen aufwendigen Glukosetoleranztest entdeckt und mit schwerwiegenden Komplikationen einhergehen kann. Diese Menschen haben ein besonders hohes Risiko, zum Zeitpunkt der (verspäteten) Diagnose bereits irreversible Schäden, zum Beispiel ihres Sehvermögens, zu haben. Technische Neuerungen, insbesondere die Möglichkeit, selbst in einer normalen Blutprobe Tausende von Proteinen auf einmal schnell messen zu können, ermöglichen es uns jetzt, diese Information zu nutzen, um solche und andere spezifischen „Subtypen“ des Diabetes Typ 2 in Studien aufzuspüren. Das Potenzial, Schaden zu vermeiden, ist enorm, insbesondere für ältere Menschen und andere Bevölkerungsgruppen, die häufiger als andere an diesen Diabetesformen erkranken.

Wer rastet, der rostet
Um sich fit zu halten, darf Sport und Bewegung im Leben eines Diabetikers nicht fehlen. Morgens habe ich mein Ritual: Noch im Bett fange ich mit Übungen wie Fahrradfahren, mit angehockten Beinen hin- und herschaukeln sowie Dehn- und Streckübungen für alle Gliedmaßen an. Auf der Bettkante geht es weiter: Ich kreise langsam mit dem Kopf, hangele mich mit beiden Armen nach oben und lasse den Oberkörper wieder nach unten fallen. Dann kräftige ich meine Waden- und Fußmuskulatur und schüttele die Gliedmaßen kräftig aus. Auf dem Bettläufer mache ich im Vierfüßlerstand noch ein paar Gymnastikübungen. Danach geht es raus in den Garten. Bei Wind und Wetter laufe ich barfuß über die Wiesen im Storchengang. Ich liebe es, das noch feuchte Gras an meinen Fußsohlen zu spüren. Hinter dem Haus dehne ich an der Wäschestange Beine und Arme wie in einem Karussell. Arm- und Bein-Kneippen und im Sommer Ganzkörpergüsse bilden den Abschluss meines Morgensports. Da- nach bin ich fit für den Tag. Bewegung und Kneippen sind mir ein tägliches Bedürfnis geworden. Inzwischen baue ich auch Yogaübungen mit ein. Gut gelingt mir der „Baum“, die anderen wie „Krieger“ oder „Hund“ sind noch nicht so perfekt, da heißt es dranbleiben und üben. Leider ist mein Körper nicht mehr so gelenkig. Sport und Bewegung sind gesund und wirken sich positiv auf den Zuckerwert aus. Denn wie heißt es so schön: Wer rastet, der rostet.

Als ich vor 10 Jahren mit Mitte 20 die Diagnose Diabtetes bekam war das für mich ein Schock und ich dachte mein Leben wäre zu Ende. Zum Glück hatte ich gute Ärzte und Berater die mir relativ schnell das Gegenteil bewiesen und zeigten, dass ein ganz normales Leben weiterhin möglich ist. Wenn mich jemand nach den Einschränkungen fragte: \"Statt Cola trinke ich nun Cola light und wenn ich Kuchen essen möchte nehme ich halt vorher Insulin\". Natürlich ist es in der Realität etwas komplexer, aber die Grundregeln hatte ich schnell verinnerlicht und spätestens mit Einführung der CGM-Geräte hat man den Blutzucker live auf dem Handy und das lästige \"in den Finger piksen\" entfällt. Die Krankheit schränkt mich im Alltag kaum noch ein. Die technische Entwicklung hilft dabei enorm. Herausforderungen gibt es an ganz anderen Stellen als im Umgang mit dem Blutzucker: Wem erzähle ich wann von meiner Krankheit - etwa auf der Arbeit? Anfangs habe ich sogar bei Dates meinen Diabetes aus Scham verheimlicht. Die Erfahrung zeigt aber, je länger man sich versteckt, desto komplizierter wird es später. Oder: Schließe ich nach der Diagnose noch eine BU-Versicherung zu deutlich schlechteren Konditonen ab oder riskiere ich gar keine zu haben. Fragen bei denen kein Arzt hilft.
Thomas Danne, Chefarzt Allgemeine Pädiatrie, Diabetologie, Endokrinologie und Klinische Forschung, Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult Hannover