
Wodurch gelingt Inklusion?
Jeder ist anders, und das ist auch gut so. Ein schöner Satz, bei dem der Teufel in der Umsetzung steckt: Wenn jeder anders ist, wie soll die Gesellschaft dann allen gerecht werden, egal ob hochbegabt oder gehandicapt, ob biodeutsch oder mit Migrationshintergrund? Verraten Sie uns Ihr Rezept für eine gelungene Inklusion auf allen Ebenen.

Inklusion beginnt im Kopf
\"Geh nicht vor mir, vielleicht kann ich nicht folgen. Geh nicht hinter mir, vielleicht kann ich nicht führen. Geh neben mir - sei mein Freund\" (Jean Ayres) Ich arbeite als Heilerziehungspflegerin in einem integrativen Kinderhaus. Kinder mit Beeinträchtigung und Kinder ohne Beeinträchtigung lernen dort von und miteinander. Selten entstehen Situationen, in denen Kinder Erklärungen zu unterschiedlichen Fähigkeiten der anderen Kinder benötigen. Für die Kinder ist die Verschiedenheit untereinander normal. Ganz selbstverständlich helfen sie sich gegenseitig. Sobald die Kinder in die Schule kommen trennen sich die Wege allerdings oft. Die Kinder mit offensichtlichen Beeinträchtigungen können die Leistungsanforderung der Grundschule nicht erfüllen und kommen deshalb in Sonderpädagogische Förderzentren. Dabei beobachte ich, dass Menschen mit eingeschränkten Leistungsfähigkeiten häufig eine hohe Sozialkompetenz zeigen. Dies könnte der Gesellschaft helfen, Vielfalt als etws Positives zu sehen. Dann sind bestimmt mehr Menschen bereit etwas im Sinne der Inklusion zu verändern. Leistungsfähigkeit und Soziale Kompetenz sollten auch auf dem Arbeitsmarkt Hand in Hand gehen und die gleiche Wertschätzung erfahren. Dann kann Inklusion auch auf dem 1. Arbeitsmarkt und im gesamten gesellschaftlichen Leben gelingen.

Zur inkludierenden Wirkung wissenschaftlicher Weiterbildung (WWB)
Hochschulen haben Personen lange auf eine sehr selektive Art und Weise adressiert und waren nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich. Trotz Inklusionsschüben (Nassehi), z.B. in Folge der Erweiterung des Angebots an Studienplätzen, entfalten sich nach wie vor exkludierende Wirkungen: Durch die konsekutive Logik des grundständigen Bereichs, die trotz Bologna-Reform nicht überwunden ist, oder die noch nicht zu Ende gedachte Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Soll Inklusion gelingen, ist der Ausbau der WWB an Hochschulen das Gebot der Stunde. WWB reagiert auf heterogene Bildungsnachfragen und inkludiert Zielgruppen, denen die Teilhabe an wissenschaftlichem Wissen bislang verschlossen war. Ihre Orientierung an Bildungs- und Berufsbiografien setzt sich in berufsbegleitend studierbare Angebote um, auch kleinteiliger als Studiengänge, aber mit diesen zusammengedacht und untereinander bzw. mit beruflicher Bildung anschlussfähig kombinierbar. WWB ermächtigt die Teilnehmenden, Studienangebote in unterschiedlichen Phasen des lebensbegleitenden Lernens in Anspruch zu nehmen. WWB an Hochschulen ist konsequent weiter auszubauen und ihre Sichtbarkeit nachdrücklich zu steigern. Sie ist in personeller und sachlicher Hinsicht so zu fördern, dass sie ihre wichtige Funktion für die Gesellschaft und die Person einlösen kann.
Linda Rehm, Leserin