
Wie digital muss Bildung sein?
Lernen funktioniert auch in unserer neuen Welt, in der digitale Technologien zum Lebens- und Arbeitsalltag gehören, über die Beziehung zwischen Lehrkräften und Schülern. Doch wie digital sollte diese Beziehung inhaltlich und technisch geprägt sein, ohne dass der Lernerfolg in den Hintergrund tritt? Schreiben Sie uns, wie Lösungen für die Grundschule, die berufliche Weiterbildung und die Bildungsphasen dazwischen aussehen sollten.

Mehr rütteln, mehr trauen
Bevor wir uns fragen, wie Bildung digitalisiert wird, müssen wir uns fragen, was digitalisiert werden muss. Es geht nicht darum, dass Schulen vollständig digital und Lehrkräfte abgeschafft werden. Gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig das soziale Umfeld zum Lernen ist. Die Pandemie hat uns dazu gezwungen, die großen Fragen der Bildung zu stellen. Wir sind immer noch in einem Bild von Schule gefestigt, das dem von vor 50 Jahren entspricht. Und genau daran müssen wir nun heftig rütteln. Im Vordergrund sollte der Lebensbezug von Schülerinnen und Schülern stehen. Die Welt besteht schließlich nicht aus Fächern, sondern aus komplexen Herausforderungen. Da hilft es auch nicht, einfach das zu digitalisieren, was gerade gemacht wird. Wer etwas digitalisieren möchte, muss es erstmal anders gestalten. Das Ziel von digitaler Bildung darf auch nicht sein, dass Schülerinnen und Schüler nur noch auf ihre eigenen Bildschirme starren und dabei die „alte Schule“ konsumieren. Stattdessen müssen wir uns fragen: Wie kann Unterricht lebensbezogener und individueller werden? Wir sollten uns viel mehr trauen, Altes aufzubrechen, um neue Experimentierräume zu schaffen. Das funktioniert aber nur, wenn wir eine Fehlerkultur in der Bildung ausbauen, neue Entwicklungen zulassen und alle Akteure – von Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern über Zivilgesellschaft und Wissenschaft bis zu Politik und Verwaltung – zusammenarbeiten.

Digital wie das Leben
Das Bildungssystem wurde in den letzten knapp 1,5 Jahren einer Schocktherapie unterzogen. Zwar haben sich schon zuvor einzelne Lehrende und damit auch Lernende auf den Weg gemacht, neue kreative und zeitgemäße Bildungsformate mit digitalen Möglichkeiten zu erproben. Dennoch zeigt die Corona-Pandemie, dass trotz des Erfahrungswissens in Schulen und Hochschulen die Umstellung von Unterricht und Lehre auf rein digitale Formate ein blinder Fleck ist. Für das sogenannte Emergency Remote Teaching war die deutsche Bildungslandschaft nicht gewappnet. Diskussionen zu digitaler Bildung sind aktuell geprägt durch diesen Krisenkontext. Schnell setzte sich der Irrglaube durch, der Erfolg digitaler Bildung könne auf einer Skala von null Prozent (keine Digitalisierung) bis 100 Prozent (vollständige Digitalisierung) gemessen werden. Eine zeitgemäße Bildung sollte aber nach dem erfolgreichen Beitrag digitaler Medien für die konkreten Bildungsziele in Schule, Ausbildung, Hochschule und darüber hinaus bestimmt werden. Dabei sollte in den Mittelpunkt rücken, inwiefern digitale Medien Lernende auf eine digitale Lebens- und Arbeitswelt vorbereiten, die 4K-Kompetenzen des 21. Jahrhunderts (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, kritisches Denken) gefördert werden und die größte Baustelle des deutschen Bildungssystems – eine chancengerechte Bildung für alle – bearbeitet wird. Die Frage müsste also lauten: „Wie muss digitale Bildung sein?“

Relevanz zählt
In einer sich exponentiell ändernden Welt gibt es kein „fertig“ gelernt für einen Job mehr. Es wird um lebenslanges Lernen für ständig neu entstehende Jobs gehen. Hierfür brauchen wir Fähigkeiten im Umgang mit dem Lernen auf digitalen Plattformen und ein grundlegendes Verständnis von Lernen. Im optimalen Fall findet Lernen als emotionaler Prozess statt – natürlich am liebsten mit einem Menschen an der Seite, der begeistert und zum berühmten Aha-Effekt hinleitet. Bildung bietet dabei die Möglichkeit, Themen in einem formelleren Ansatz, etwa in Form von einem Curriculum, bereitzustellen. Diese Themen sollten natürlich zeitgemäß gewählt sein, wie derzeit Robotik, da in der Welt um uns herum auch der Toaster und der Kühlschrank als Roboter miteinander kommunizieren und wir uns in dieser komplexen Welt doch bestmöglich orientieren können sollten. Neben der gesonderten Thematik, ab welchem Alter elektronische Endgeräte, digitaler Lern-Content oder Online-Lernen eingesetzt werden sollten, steht außer Frage, dass uns der Umgang damit in Zukunft vor allem grenzenlose Lernmöglichkeiten bietet. Es geht eher weniger darum, ob Bildung digital wird, sondern welche Themen relevant sein werden und dass das neue Lernökosystem eine Symbiose aus analogen und digitalen Räumen sein wird. Dafür brauchen wir jetzt vor allen Dingen mutige Gestalter und Pioniergeister, die neue Möglichkeiten testen und im gemeinsamen Austausch weiterentwickeln.

Näher ans Leben
Bildung sollte zumindest so digital sein, dass sich die Schüler nach dem Verlassen der Schule in der Arbeitswelt zurechtfinden können. Sie sollten Netzwerken lernen und wie man online Wissen teilt. Leider ist das nicht immer so und daher habe ich beschlossen, selbst aktiv zu werden. Seit einer Woche habe ich bei mir im Büro eine Schülerpraktikantin aus der neunten Klasse. Als erstes haben wir gemeinsam eine Sharepoint-Gruppe erstellt, auf der wir alle Unterlagen aus ihrem Schülerpraktikum miteinander teilen. Ich habe ihr gezeigt, wie Microsoft Office 365 aufgebaut ist und welche Möglichkeiten es bietet. Es hat mich beeindruckt, wie wissenshungrig sie ist und wie schnell sie Dinge verinnerlicht. Gezeigt und einmal selbst ausgeführt und es sitzt. Ich würde mir wünschen, dass Softwarehersteller und Hardwareproduzenten sowie deren Kunden sich mehr mit den Schulen austauschen würden, um dort die Digitalisierung dem Puls der Zeit anzupassen.

Revolution wagen
Im Mittelpunkt aller Entwicklung muss immer die Schülerin und der Schüler stehen. Wenn alle am Bildungsprozess Beteiligten das Lernenlernen als Schwerpunkt begreifen, wird der mühsame Weg hin zu einer Kultur der Digitalität viel Freude, Erfolg und Sicherheit als Lohn bringen. Pilotprojekte und Machbarkeitsstudien bilden wichtige Bausteine, um gute Methoden zu identifizieren und zu verifizieren. Das System Schule so zu wandeln, dass dort eine Kultur der Digitalität Einzug hält, ist eine ungleich höhere Qualität und wird ohne die erforderliche allumfassende Revolution des Bildungswesens nicht gelingen.

Ich glaube, dass Lernen zunächst intensiv an motorische Fähigkeiten gekoppelt ist. Das Wort „be-greifen“ ist hier ein guter Hinweis. Wenn diese Hirnareale dann „gebildet“ wurden, kann man dort digital aufsetzen.

Bereit für Zukunft
Möchten wir die Schüler auf eine digitale Welt und die Komplexität von ständiger Transformation vorbereiten, geht das weit über den Einsatz technischer Geräte und die Anwendung von Tools hinaus. Es geht um die Veränderung von Schule im Allgemeinen und von Unterricht im Speziellen, bei der wir die Voraussetzungen schaffen, in neuen, zeitgemäßen Lern- und Prüfungsformaten den Erwerb von Zukunftskompetenzen zu ermöglichen, die die Schüler befähigen, mit den Veränderungen durch die digitale Transformation umgehen zu können und ihre Lebens- und Arbeitswelt zu gestalten.

Gemeinsam stärker
Schüler nutzen digitale Mittel für beinahe alles und Corona hat die meisten Lehrkräfte dazu gezwungen, digital zu werden. Insgesamt aber wirken sich diese Technologieeffekte nur unzureichend auf die Leistungen aus. Um uns der Kraft des Digitalen voll bewusst zu werden, müssen wir die Möglichkeiten von Social Media noch besser nutzen. Über soziale Medien fällt es Schülern leichter, nach Fehlern zu fragen, sich Hilfe zu suchen, über Dinge zu sprechen, die sie noch nicht wissen, und auf andere Schüler und Lehrkräfte zuzugehen oder Ressourcen anzuzapfen, die sie beim Lernen unterstützen. Über Social Media können wir Lerngemeinschaften erschaffen. Arbeitgeber suchen heute nach Absolventen, die in Gemeinschaften arbeiten können. Aber in den meisten Schulklassen lernen die Schüler für sich allein, erhalten ihre eigenen Noten und wetteifern darum, die Besten zu werden. Es ist an der Zeit, ihnen bewusst beizubringen, kollaborativ zu arbeiten, ihnen Fähigkeiten zu vermitteln, etwas für die Gruppe beizutragen, und die Überzeugung, dass die Gruppe bessere Lösungen entwickeln kann als eine einzelne Person. Variablen Lernstrategien gehört die Zukunft. Sie sind wirkungsvoll, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden. Kein Schüler sollte eine Lernstrategie wiederholen müssen, mit der er im ersten Versuch nicht erfolgreich war. Bei dieser neuen Art des Lernens sollten Lernerfolge nicht zufällig geschehen, sondern bewusst erzeugt werden.

Das richtige Maß
Nicht das Gerät ist das „Problem“, sondern der Content. Viel Content spricht durch schnelle Video- und Soundeffekte direkt die Sensorik des Menschen an, bei Kindern noch mehr. Dieser Effekt ist sehr mächtig und wirkt wie eine Droge. Kinder sind dagegen wehrlos, manche Erwachsene anscheinend auch. Aus meiner Sicht können vor allem Kinder einige Dinge nur durch echte physische und soziale Erfahrung richtig verinnerlichen. Digitale Geräte bieten das zum einen nicht (in gleichem Maße), zum anderen rauben sie die Zeit für eben solche Erfahrungen. Ein sinnvolles Heranführen an Medien und ihre Nutzung sollte daher durchaus schon vor der Schule beginnen. Die Schule kann dies sicher geschickt fortführen.

Kultur entscheidet
Digitalität ist weder Ziel noch Qualität noch Lösung für die Probleme des Bildungssystems. Es geht um eine Veränderung der Lehr-Lern-Kultur hin zu sinnhaftem, phänomen- und interessebasiertem Lernen in Settings, die mit der Community verbunden sind, die inklusiv sind im weitesten Sinne und in denen Wohlbefinden, Verantwortung für die Gemeinschaft, die Gesellschaft und die Welt im Fokus stehen – und zwar nicht durch Slogans, sondern durch gelebte Partizipation und selbstbestimmtes Lernen.

Das Problem ist, dass wir digitale Bildung mit Hardware gleichsetzen. Wir kaufen Tablets für die Schule und denken dann, etwas für die Digitalisierung getan zu haben – mit Hardware, die ohne Anleitung ausgeliefert wird, weil sie praktisch jeder bedienen kann. Es kommt darauf an, was wir damit machen. Wir sollten die Lust auf Programmieren, Entdecken und Gründen fördern, dann wird was draus.

Für mehr Mündigkeit
Seien wir mal ehrlich: Digitale Konsumenten werden unsere Kinder sowieso. Das können wir auch nicht verhindern, indem wir weiter auf einen vollständig analogen Unterricht setzen. Wir reden nicht davon, menschliche Lehrkräfte aus dem Klassenzimmer zu verbannen. Ein Tablet kann keinen Lehrer ersetzen. Und rein digitaler Unterricht nicht den Präsenzunterricht. Genau das hat die Pandemie auch gezeigt: Kinder brauchen das soziale Umfeld, etwa um mehr Teamfähigkeit zu entwickeln. Wir wollen sie ja nicht zu Robotern heranziehen, die Kommunikation nur mit ihrem Laptop beherrschen. Andererseits leben wir in einer digitalen Welt. Da sollte es im Interesse aller sein, dass unsere Kinder in ihr nicht nur Anwender, sondern auch Gestalter werden. Dass sie nicht nur digitale Inhalte konsumieren, sondern auch verstehen und hinterfragen. Es geht also auch um die Vermittlung von mehr Realitätsbezug. Wer Schülern analog beibringen möchte, wie man in einem Youtube-Video Meinungen von Fakten unterscheidet, geht an der Lebensrealität der Kinder vorbei. Ist es da nicht besser, ein solches Video an die Klassenzimmerwand zu beamen und anschließend Meinungen und Fakten gemeinsam herauszuarbeiten? Medienkompetenz ist in unserer heutigen Zeit ein wichtiger Schlüssel zur Mündigkeit aller Bürger geworden. Und die Fähigkeit, Fake News von echten Nachrichten zu unterscheiden, eine wichtige Stütze unserer Demokratie.

Nachhaltig aufholen
Viele Lehrer blicken derzeit besorgt auf die unterschiedlichen Lernstände und die sozialen wie emotionalen Probleme mancher ihrer Schüler und fragen sich: Wie können Schüler unterstützt werden, die durch die schwierige Lernsituation in der Corona-Pandemie zusätzliche Defizite aufgebaut haben? Und welche Rolle können digitale Angebote hier spielen? Die Versicherungsgruppe die Bayerische war dieses Jahr erstmals als Partner beim Hackathon von #wirfürschule dabei. Die gemeinnützige Organisation wurde unter anderem von Verena Pausder gegründet und möchte Schulen zukunftsfähig machen. Dort haben wir auch das Projekt „Schule für Morgen“ vorgestellt, das von der Bayerischen und dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband gestartet wurde. Durch das Projekt erhalten lernbenachteiligte Grundschüler kostenfreie Nachhilfe von Studierenden und pensionierten Lehrkräften – online oder vor Ort an der Schule. Warum liegt der Bayerischen die Situation der Schüler und Lehrer so am Herzen? Seit mehr als 100 Jahren versichern wir Lehrkräfte in ganz Deutschland. Nicht nur aufgrund dieser starken Verbundenheit sieht sich die Versicherungsgruppe aus München in der Verantwortung, hier einen Beitrag zu leisten. Die Bayerische möchte als Initiator des Projekts den Schülern, Lehrern und Eltern mit Online-Nachhilfe helfen – nicht nur während Corona, sondern nachhaltig. Mehr Infos zum Projekt und wie Schulen mitmachen können finden Sie hier: schule-fuer-morgen.de

Digital und inklusiv
Bei der Debatte um digitale Bildung in der Schule werden häufig der Aspekt der Bildungsbenachteiligung sowie die Chancen einer digitalen Bildung für die Umsetzung der Inklusion außer Acht gelassen. Diklusion – ein Neologismus aus „digitale Medien“ und „Inklusion“ – stellt einen innovativen Impuls für die schulische Praxis zur strukturellen Verbindung der digitalen Bildung mit dem Ziel einer Bildung für alle dar. Ausgehend vom weiten Inklusionsbegriff kann jede Schülerin und jeder Schüler von einem guten digital-inklusiven Unterricht profitieren. Hierfür muss Diklusion als nachhaltiger Wert in der Schulkultur verankert werden. Bisher werden diese beiden Aspekte nur selten gemeinsam gedacht. Digitale Medien können bei guter didaktischer Planung und geschultem Personal zur Individualisierung, zur Unterstützung der Lehrkraft für einen adaptiven Unterricht, zur Verbesserung der Kooperation und Kollaboration sowie zur Chancengerechtigkeit etwa durch assistive Medien beitragen. Somit stellt sich vielmehr Frage, wie wir digital und analog so miteinander in Einklang bringen, dass alle Schülerinnen und Schüler in ihrem individuellen Lernprozess unterstützt werden und an Bildung teilhaben können. Digitale Bildung leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zur gesellschaftlichen Partizipation aller und sollte ein selbstverständlicher Bestandteil schulischer Bildung sein, um die soziale Schere in diesem Bereich zu reduzieren.

Medienkompetenz kann man lernen
Manche Eltern vertrauen darauf, dass Kinder im Netz auch ohne Kontrolle schon das Richtige tun. Die Essenz davon ist, dass viele Erwachsene offenbar mit der Mediennutzung von Kindern so überfordert sind, dass sie einfach hoffen, es wird schon nichts passieren – dass Kinder also nicht mit problematischen Inhalten und Nutzern konfrontiert werden und nichts „Verbotenes“ machen. Nach den KIM-Studien haben bereits 33 Prozent der Acht- bis Neunjährigen ein Smartphone – in der zweiten Klasse. Das solche Konstellationen nicht gut gehen können, ist offensichtlich. So steigen in den letzten Jahren die digitalen Risiken für Kinder an, während gleichzeitig bei digitalen Sexualdelikten mittlerweile fast jeder zweite Tatverdächtige selbst minderjährig ist. Die Pandemie wird diese Situation noch weiter verschärft haben. Zurückzuführen ist dies offenbar auch auf mangelnde Vermittlung von Medienkompetenz – nicht nur darin, wie man das Netz nutzt, sondern auch, was man nicht machen darf. Woher sollen Kinder das auch wissen, wenn sie schon so früh ein Smartphone bekommen und nicht darauf vorbereitet werden. Es gibt nur eine Institution, über die alle Kinder erreicht werden könnten: die Schule. Leider gibt es in Deutschland noch immer keine verpflichtende Vermittlung von Medienkompetenz ab der 1. Klasse an jeder Schule. Eine solche Umsetzung erfordert Willen, Zeit und Geduld, die digitale Lebenswirklichkeit lässt es aber unumgänglich erscheinen.

Schauen, was geht
Natürlich ist das eine sehr individuelle Sache. Je nach Alter und Lerntyp muss jeder selbst herausfinden, wie er mit digitalem Lernen umgeht. Nach mehreren Monaten Unterricht via Zoom kann ich sagen, dass digitales Lernen nicht mit traditionellem Lernen zu vergleichen ist. Viele Methoden sind in einer Online-Konferenz unmöglich oder nur schwer umsetzbar. Es können nur schwer Tests geschrieben werden, da die Lehrkraft keine Möglichkeit hat, auf Spicken zu kontrollieren. Andere Teile des Unterrichts, wie Vorträge mit Powerpoint-Präsentationen, sind genau so einfach, wenn nicht sogar einfacher. Außerdem schafft das Online-Lernen viele Möglichkeiten für Weiterbildung und Weiterentwicklung, sowohl aufseiten der Schulen und Lehrer als auch auf der der Schüler. Meiner Meinung nach muss jede Schule einen Weg finden, der für ihre Schüler funktioniert. Lehrkräfte sollten im Unterricht den Schülern die Möglichkeit geben, individuell Fragen zu stellen. Vielen fällt das Lernen von zu Hause aus schwer, sei es, weil sie den direkten Bezug zum Lehrer brauchen oder weil das geeignete Umfeld fehlt. Lehrkräfte sollten deshalb bereit sein, ihren Schülern unter die Arme zu greifen. Online-Unterricht wird höchstwahrscheinlich keine Dauerlösung, zumindest nicht nach aktuellem Stand der Technik an deutschen Schulen. Aber die Pandemie hat uns auf den richtigen Weg zu digitalem Fortschritt gebracht.

„DIGITALE BILDUNG BRAUCHT ZUKUNFTSFESTE INFRASTRUKTUREN UND NEUE LEHRANSÄTZE“ Homeschooling, geschlossene Schulen, Ausnahme- situation für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrkräfte – die anhaltende Corona-Pandemie hat das nationale Bildungssystem vor große Heraus- forderungen gestellt. Was bedeutet das Jahr für die digitale Bildungsoffensive?
Dass es viele kreative und auch individuelle Lösungen gab, um Lehren und Lernen mit digitalen Mitteln zu gestalten. Und dass es noch immer großen Nachholbedarf beim Ausbau der technischen Schulinfrastrukturen gibt – was nicht erst seit der Pandemie klar ist. Ich bin überzeugt, Widar Wendt, dass wir das vergangene Jahr als Chance verstehen sollten. Jeder am Bildungssystem beteiligte Akteur hat konkretere und greifbarere Vorstellungen darüber gewonnen, was digitales Lernen bedeutet und dass es voraussetzungsreich ist. Jetzt gilt es, die gesammelten Erfahrungen sinnvoll in flächendeckende, nachhaltige Konzepte einfließen zu lassen. Die Fördermittel stehen ja bereit, wo hakt es? Mit dem DigitalPakt Schule ist ein Unterstützungsweg gezeichnet. Vor Ort scheitert es aber durchaus noch an der Erstellung der für den Antrag vorgeschriebenen Medienkonzepte. Wir benötigen klare Vorgaben für die Grundausstattung der Schulen, um auf diesem Fundament im breiten Dialog aller am Schulwesen Beteiligter die neuen Lehr- und Lernansätze fortzuentwickeln. Was benötige ich für den Aufbau und die Wartung meiner digitalen Infrastruktur? Welche technische Ausstattung brauche ich im schulischen Alltag? Welche Anwendungen sind für eine schulische Umgebung geeignet? Genau hier haben wir mit unserem Kompetenzzentrum Digitale Bildung angesetzt und gemeinsam mit Partnern aus der Branche das Gütesiegel „Breitband Schulen“ erarbeitet, das Mindestanforderungen an die schulische IT-Grundstruktur bescheinigt. Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Faktoren für eine gute digitale Lernumgebung? Der Betrieb und die Wartung jeglicher Technik und Ausstattung müssen so stabil funktionieren wie früher Stift und Papier. Hierfür braucht es Schul- und Unternehmensnetzwerke, die in enger Kooperation die Zuständigkeit übernehmen. Die kontinuierliche Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonal muss gewährleistet sein. Die Schule der Zukunft muss sich schnell an digitale Transformationen anpassen können, sie muss also flexibel sein. Die Freiheit über die Gestaltung von Unterricht und Lehrinhalten sollte aber weiterhin unter die Hoheit der Schulen und des pädagogischen Personals fallen.

Offene Lernkultur
Digitales ist kein Zusatz, weder methodisch noch strukturell: Digitalität verändert die Welt, die Kultur und damit die Bildung grundsätzlich. Wer Unterricht hingegen nur digital abzubilden versucht, ignoriert diese Transformation – und sieht in Erklärvideos die Zukunft der Bildung. Dabei werden die wesentlichen Fragen verfehlt: Wie verändern sich Gesellschaft und Zusammenleben in einer Kultur der Digitalität? Wie lassen sich die daraus resultierenden Probleme erfassen und lösen? Und wie könnten junge Menschen zu einem erfüllten Leben in dieser vernetzten Welt befähigt werden? Somit darf Lernen nicht auf die Reproduktion von Lösungsmustern reduziert werden, sondern muss als Denken und Handeln verstanden werden, das global und lokal zugleich über das Arbeiten an und Lösen von echten Problemen erfolgt. Die zunehmende Komplexität der Welt erfordert eine kollaborative, multiperspektivische und interdisziplinäre Arbeits- und Lernkultur, die maximal offen und partizipativ gestaltet ist. Das Netz kann genau das leisten. Bildung muss also gerade dort digital sein, wo die Herausforderungen der digitalen Transformation angenommen und bearbeitet werden. Dabei helfen Akteure, die über vertiefte Kenntnisse zum kulturellen Wandel und Bildungsfragen verfügen und nachhaltige Formen der Zusammenarbeit pflegen. Digitalwashing durch pressewirksame Hackathons, Leuchtturmprojekte und Youtube-„Rockstars“ braucht Bildung hingegen nicht.

Schöne neue Welt
Digitale Bildung muss und wird sich mit analoger Bildung verbinden müssen. Ein Beispiel: Ein Kind fotografiert mit dem Handy eine Pflanze und bestimmt sie mit der App. Zu Hause schlägt es das Pflanzenbestimmungsbuch auf und liest weiter. Dann spricht sie mit ihren Eltern: „Die Pflanze ähnelt einer anderen, wie kann ich sie unterscheiden?“ Dann googelt es im Netz und findet eine Antwort. In der Schule wird daraus ein Projekt. Lernen und Bildung der Zukunft ist Dialog zwischen analoger und digitaler Bildung. Wir werden individuell zwischen beiden switchen und erschaffen somit eine neue Lernwelt: die di(g)aloge Welt.

Nah am Leben
Durch den Ausstattungsschub in der Corona-Zeit wird es immer realistischer, in der Schule digitale Endgeräte einsetzen zu können. Endlich wird die Vision wahr, selbstverständlich zwischen verschiedenen Methoden zu wechseln – immer darauf fokussiert, wie das jeweilige Lernziel am besten erreicht werden kann. Mal ist das die Debatte in der Gruppenarbeit, mal das stille Lesen im Buch und mal eben die Recherche im Internet oder das Nutzen digitaler Programme. Diesen Fortschritt brauchen wir, um von den Mehrwerten der Digitalisierung auch an Schule profitieren zu können. Was dabei aber nicht aus dem Blick geraten sollte: Entscheidend für den Lernerfolg ist die Beziehung zwischen der Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern. Die Kommunikation auf Augenhöhe, die Wertschätzung für das Lernen und Lehren sowie Empathie und Sympathie sind es, die eine gelingende Zusammenarbeit ausmachen. In Zeiten der Digitalisierung heißt das aber auch, dass die Lehrkraft die Möglichkeit haben muss, die Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebenswelt abzuholen. Digitale Spiele, die in aller Munde sind, können auch im Unterricht thematisiert werden. Dafür jedes Mal einen Antrag zu schreiben, damit man die gleiche App herunterladen kann, geht aber zu weit. Um also in digitalen Zeiten mithalten zu können, braucht es flexible Budgets für die Schulen, um genau solche „Späße“ mitzumachen – und nah an der Realität der Schülerinnen und Schüler zu bleiben.

Mittel zum Zweck
Bildung muss nicht digital werden, Bildung muss besser werden. Sie muss jungen Menschen helfen, sich zu entwickeln, zu lernen, sich in der Gesellschaft zu orientieren und zu positionieren. Das gelingt ihnen, wenn sie sich intensiv mit Problemen beschäftigen, mit anderen Interessierten austauschen und reiben, eigenen Fragen nachgehen und Grundkompetenzen trainieren können. Wer sich in diesem Sinne bildet, ist auf zwei Dinge angewiesen: eine gute Infrastruktur und Menschen, die einen unterstützen, begleiten, inspirieren. Hier zeigt sich dann, dass gute Bildung selbstverständlich digitale Anteile enthält: Die Infrastruktur umfasst Netzanschluss und Geräte, die Vernetzung und Wissensarbeit erleichtern. Pädagogische Begleitung betrifft auch das Verständnis von Digitalität und deren produktive Nutzung. Schulen müssen nicht digitaler werden, sie werden es automatisch, wenn sie ihre Aufgaben besser wahrnehmen. Sobald sich Kinder und Jugendliche mit Gesellschaft und Wissen auseinandersetzen, nutzen sie digitale Verfahren. Sie eigenen sich digitale Arbeitstechniken an, recherchieren im Netz, vernetzen sich mit Profilen auf digitalen Plattformen. Gute Bildungsprozesse sehen das Potenzial, das in diesen Aktivitäten steckt, ermöglichen sie, senken für alle Schülerinnen und Schüler die Schwellen für die Nutzung.

Passend für jedes Lernsetting
Die Digitalisierung darf Schüler und Lehrer nicht belasten. Sie sollte vielmehr dabei unterstützen, Lehr- und Lernziele einfacher zu erreichen. Wir sprechen täglich mit Schulen und Schulträgern, die uns genau das bestätigen. Dabei geht es neben der Gestaltung des digitalen Unterrichts wiederholt auch um die Frage nach passender Hardware. Denn ein flexibles Arbeitsgerät ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für den nachhaltigen Einsatz und die Motivation. Besonders Convertibles sind gut für den Schulalltag und dessen verschiedene Nutzungsszenarien geeignet. Dem pflichtet auch die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung bei, die Notebooks für längere Arbeitssessions am Bildschirm empfiehlt und Tablets nur für kürzere Tätigkeiten. Dazu zählen auch das Acer TravelMate Spin P4 für Lehrer und das TravelMate Spin B3 für Schüler. Die Convertibles sind mit einer vollwertigen Tastatur ausgestattet und lassen sich mit nur einem Handgriff zu einem leichten Tablet mit Touchscreen und Stift zusammenklappen. Um Technik möglichst lange zu nutzen und Transportschäden oder den Verlust von Zubehör zu vermeiden, sollten Schulen bei der Auswahl der Hardware sowohl auf leistungsstarke Intel® CoreTM Prozessoren, augenfreundliche Displays, benötigte Anschlüsse wie USB Type C zum Laden oder Anschließen von Peripherie als auch auf eine im Gerät integrierte Verwahrung des Stifts und robuste Verarbeitung achten.

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert
Die durch Covid-19 ausgelöste Krise hat uns aufgezeigt, was in unserer Gesellschaft schon lange schiefläuft. Dort, wo Beziehungen zwischen Lehren und ihren Schülerinnen und Schülern stark waren, hat das auch mit dem Distance Learning besser geklappt. Die Grundbausteine für die Digitalisierung sind nämlich nicht Tablets oder Laptops für jedes Kind – auch wenn das natürlich wichtig ist – sondern die Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden. Jugendliche sind auf Tiktok unterwegs, haben Gruppen auf Whatsapp und verstecken sich vor ihren Bezugspersonen auf Snapchat. Bei der Digitalisierung muss es darum gehen, dem Lehrpersonal die Möglichkeit zu geben, sich mit diesen Lebensrealitäten von Jugendlichen auseinanderzusetzen. Sogenannte bildungsferne Schichten werden nur so erreicht werden können. Denn nur über den Aufbau von Beziehungen können die individuellen Ansprüche und Herausforderungen der Kinder und Jugendlichen Gehör finden. Erst dann kann an digitalen und menschlichen Lösungen für eben jene Herausforderungen gearbeitet werden. Damit das klappen kann, muss unser Lehrpersonal in anderen Bereichen entlastet werden. Denn eins ist klar: Wenn wir nicht wissen, was eine Jugendliche oder ein Jugendlicher braucht, um lernen zu können, dann kann ein Laptop nicht die Lösung darstellen.

Kreativer Formatmix
Bildung kann fast nicht digital genug sein. Doch sie sollte in zweierlei Perspektiven digital sein: In ihr sollten wir unerschrocken und experimentierfreudig digitale Tools und Technologie einsetzen, um den Umgang mit ihnen zu erlernen und Berührungsängste abzubauen. Zugleich sollte Bildung aber auch digitale Themen und den Umgang mit der digitalen Transformation zum Thema haben. Statt Tools und Technologie um der Technik willen einzusetzen, sollten wir im Blick behalten, worum es eigentlich geht: Der Mensch steht im Mittelpunkt und er lernt am besten, wenn er Lust auf Lernen hat und man ihm verschiedene Methoden und Wege anbietet. Digitale Bildung sollte vor allem vielfältig und abwechslungsreich sein und Menschen in Kontakt und in den Austausch bringen – vor Ort genauso wie virtuell. Für Unternehmen heißt das in ihren Bemühungen zu Aus- und Fortbildung: Sie sollten einen kreativen Formatmix einsetzen, der nicht nur den altbekannten Workshop anbietet, sondern auch die kreative Nutzung digitaler Plattformen ermöglicht. Und sie sollten versuchen, am Ball zu bleiben, welche digitalen Themen aktuell sind. Die Zeiten der einmal im Jahr aktualisierten Fortbildungskataloge sollten passé sein. Solche Angebote sind viel zu träge und spiegeln die Rasanz der Entwicklung nicht annähernd wider. Ich empfehle auch: Binden Sie Ihre Mitarbeitenden in diesen Prozess ein. In vielen Organisationen schwirrt Wissen herum, das gar nicht adäquat genutzt wird.

Augen auf
Gegenfrage: Ist Bildung nicht schon digital? Es gibt seit Jahren Angebote, Modelle und engagierte Communitys, die sich diesem Thema widmen. Einen großen Teil davon trägt die Open-Sour- ce-Szene bei. Hier gibt der Anspruch der Kollaboration die Notwendigkeit vor, digital zu werden. Wieso gibt es einen Unterschied der Bildungsme- thode in den verschiedenen Systemen? Weil etwa die einen Pläne erstellen und die anderen sich Ziele ausdenken. Wieso meinen wir, Individuen mittels Bildungsplänen von vor 20 Jahren auf das Jetzt vorzubereiten? Ich wünsche mir mehr Open-Source- und Commu- nity-Denken in Schulen.

So digital wie möglich
Die Corona-Krise hat leider gezeigt, wie rückständig das deutsche Bildungssystem ist. Was lernen wir hoffentlich daraus? Gerade in den ländlichen Gegenden muss für flächendeckendes Hochleistungsinternet gesorgt werden. Jedes Kind sollte ein Anrecht auf ein digitales Endgerät haben, das vom Land oder Bund finanziert wird. Aber auch Lehrkräfte müssen unbedingt auf digitale Endgeräte und digitale Unterrichtsformen geschult werden. Nichts ersetzt den Präsenzunterricht. Aber es muss rein technisch sofort die Möglichkeit geben, auf Homeschooling umsteigen zu können. Zu überlegen wäre vielleicht ein Unterricht wie das Homeoffice im Beruf: mit Präsenzunterricht an zwei oder drei Tagen pro Woche, der Rest des Unterrichts findet zu Hause statt. Auch digitale Klausuren und Prüfungen sind kein Fremdwort mehr. Dennoch bin ich persönlich im Regelfall für die Prüfung der Leistung vor Ort. Über verschiedene Funktionen in den Apps kann man aber auch die Mitarbeit im Unterricht digital bewerten. Ein Punkt ist mir aus eigener Erfahrung noch wichtig: In meiner Funktion als Schulsprecher habe ich Kinder gesehen, die unter der Last der Schulranzen nahezu zusammenbrachen. Auch hier ist eine digitale Lösung hilfreich. Dennoch bin ich so konservativ zu sagen: Jeder Schüler soll den Umgang mit Lehrbüchern, Atlanten und Lexika in der „guten alten“ Form lernen – aber vielleicht, ohne jeden Tag sechs Bücher mit zur Schule schleppen zu müssen.

Der Bedarf wächst
Keine Frage: Corona war und ist eine gigantische Belastungsprobe für uns alle. Doch wir haben in der neuen hybriden Arbeitswelt gelernt, dass das mobile Arbeiten viel produktiver sein kann als das Absitzen der Arbeitszeit im Büro. Und der Schritt in die digitalen Lernwelten, der viele neue Chancen bietet, wurde kleiner. Jede und jeder hat unabhängig vom Alter heute viele neue Möglichkeiten der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Digitales Lernen passt inzwischen auch häufig viel besser in einen Arbeitsalltag. Es ist machbar, wann man will. Digitale Lernformen sind auch meist deutlich effizienter. Demgegenüber stellen viele Unternehmen fest, dass der Wissenserhalt deutlich höher ist, wenn mit spielerischen oder erfahrungsbasierten virtuellen Fortbildungsmedien gearbeitet wird. Der Lernerfolg ist oft größer als bei der verschulten Seminar-Vermittlung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich intensiv mit ihrem eigenen Bedarf an Bildung beschäftigen. Sie sollten die digitalen Bildungsmöglichkeiten kennenlernen wollen. Messen oder Austauschplattformen bieten heute komplett neue Formate. Vielen scheinen diese noch nicht bewusst zu sein. Personalerinnen und Personaler können bei Entwicklungsgesprächen konkret und individuell besprechen, wo die herkömmlichen Lernwelten mit Präsenz und all den Vernetzungsmöglichkeiten zwischen den Beschäftigten weiterhin die bessere Wahl sind und wo digitale Bildung besser geeignet oder gar notwendig ist.

Natürlicher Weg
Jegliche Tätigkeit erzeugt eine Stimulation im Gehirn, verbunden mit einer Vernetzung der stimulierten Bereiche. Um es mal ganz plastisch auszudrücken: Jede Bildschirmzeit stimuliert mehr unseren linken präfrontalen Kortex. Das ist der Bereich, in dem sich unser „Ich“ befindet, die lineare Logik und weiteres mehr. Ihn kann man als Gaspedal des Gehirns bezeichnen. Im Alter bis zu drei Jahren muss aber mehr die rechte Gehirnhemisphäre wachsen. Dort liegen Funktionen wie das „Wir“, wie emotionale und Impulskontrolle, nonverbale Kommunikation, abstraktes Denken und Fantasie. Diesen Bereich kann man damit als Bremspedal des Gehirns bezeichnen. Wenn nun vor dem dritten Lebensjahr die Kinder zu stark ihre linke Hemisphäre stimuliert bekommen, reift die rechte Hemisphäre nicht dem Alter entsprechend aus. Resultat sind Kinder mit einem überstarken „Ich“ und zu schwachem „Wir“-Gefühl, die sich nicht bremsen können und nicht besonders gut in nonverbaler Kommunikation sowie in abstraktem Denken sind. Sie entwickeln oftmals Konzentrationsprobleme und eine mangelnde Impulskontrolle. Als Faustregel kann man also sagen: vor der Trotzphase, mit zwei bis drei Jahren, null Bildschirmzeit, bis zu einem Alter von fünf bis sechs Jahren so wenig wie möglich. Und in der Schule denke ich, können Kinder, die vorher gut fühlen, fantasieren und sich bewegen gelernt haben, ab der Sekundarstufe an kindgerechte digitale Themen herangeführt werden.

Digital lernen, digital prüfen
Lernen, wann und wo wir wollen, liegt im Trend. Digitale Angebote erobern den Weiterbildungsmarkt. Online-Prüfungen komplettieren diese Angebote, denn wer flexible Bildung schätzt, möchte auch Klausuren orts- und zeitunabhängig ablegen. Die Fernstudienbranche ist seit Jahren Vorreiter in Sachen digitale Bildung. Das gilt vor allem für das Thema individualisierte Prüfungen. Online-Proctoring ist zum neuen Schlagwort geworden: Studierende können Prüfungen online unabhängig von Ort und Zeit ablegen, die Prüfungsaufsicht erfolgt virtuell und Betrugsversuchen wird mittels digitaler Tools entgegengewirkt. Bereits vor der Pandemie haben Fernstudienanbieter digitale Klausurkonzepte entwickelt, um speziellen Zielgruppen wie Berufstätigen und Spitzensportlern eine gesellschaftliche Teilhabe an (akademischer) Bildung zu ermöglichen. Evaluationen zeigen: Die Zielgruppe schätzt das Format und nutzt es zu Zeiten, an denen Präsenzangebote nicht durchführbar sind. Aufkeimenden Datenschutzbedenken stehen Rechtsprechungen gegenüber, die bei einer Aufzeichnung der Prüfung aufgrund der Freiwilligkeit weder einen Eingriff in die Privatsphäre noch den Schutz der privaten Wohnung verletzt sehen. Was fehlt, sind bundeseinheitliche Standards für Online-Prüfungen und deren rechtssichere Durchführung, um digitale Bildung nicht zu verhindern, sondern für alle noch erfolgreicher zu gestalten.

Einsatz mit Sinn
Die Pandemie hat einen wahren Digitalisierungsschub in den Schulen ausgelöst. Allerdings von einem niedrigen Niveau aus. Es fehlen weiterhin digitale Geräte für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler sowie sichere Schulclouds und flächendeckendes WLAN in den Schulgebäuden. Ein zentrales Problem bleibt zudem die Fortbildung. In einer repräsentativen GEW-Befragung an Schulen kurz vor dem ersten Lockdown im Februar 2020 bemängelten 82 Prozent, dass es keine ausreichenden Fortbildungsangebote für Digitalisierungsthemen gebe. Dabei geht es weniger um technische Schulung denn um pädagogische Konzepte. Nicht nur für den Mix aus Präsenz- und Fernunterricht, auch insgesamt brauchen Schulen ein gutes medienpädagogisches Konzept. Offene und flexible Unterrichtsformen, die das eigenständige Lernen fördern, werden hierbei immer wichtiger. Vor allem im Hinblick auf das neue Schuljahr sollten Schulen zudem besonderen Wert auf Lernfreude, soziales Lernen und das Gemeinschaftsgefühl legen. Dabei sollte das „Primat der Pädagogik“ gelten. Das heißt, dass es nicht nur um immer mehr und immer leistungsfähigere Technik gehen kann. Studien belegen, dass auch gut ausgestattete Schulen nicht unbedingt zu besseren Lernerfolgen führen. Zum Beispiel ist ein negativer Zusammenhang zwischen ausgeprägtem Mediengebrauch und Lesekompetenz festzustellen. Es kommt also nicht nur darauf an, dass wir Technologien einsetzen, sondern auch, wie sinnvoll wir das tun.

Nicht immer auf die Politik warten
Tech-Kompetenz will genauso wie Medienkompetenz früh erlernt sein. Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Schulzeit, als ich im Rahmen von Projekten wie „Schule und Zeitung“ die „Süddeutsche“ kennenlernen und so den Grundstein für meine tägliche Zeitungsroutine legen konnte. Die Tech-Branche und die Schulen sollten sich solche Projekte zum Vorbild nehmen. Über neue Technologien wie Virtual Reality kann man schließlich noch so viel reden, nichts ersetzt aber das Erlebnis, ein VR-Headset aufzusetzen und selbst durch die virtuelle Realität zu spazieren. Und weil digitale Bildung an der Basis stattfindet, sollte sie dort auch organisiert werden, statt immer auf landespolitische Reformen zu warten. Auch pragmatische Ansätze führen ans Ziel: Im Rahmen unseres Modellprojektes „Virtual Classroom Bayern“ fanden wir zum Beispiel im Bundesverband Deutscher Realschullehrer einen Partner, der direkte Klassenbesuche organisierte, um Virtual Reality vor Ort vorzustellen. Mehrere Realschulklassen an zwei Schulen bekommen so eine Woche lang die Gelegenheit, die Technologie selbst zu testen. Lehrerinnen und Lehrern eröffnen sich unzählige neue Ideen für die didaktische Nutzung von VR-Anwendungen. Und wir als Hersteller erhalten das denkbar unmittelbarste Feedback für unsere Technologie.

Digital fit sein
Wir haben uns gefragt, wie man es schaffen kann, in kurzer Zeit möglichst viele Lehrkräfte in ganz Deutschland fortzubilden. So ist die Idee zu unserer digitalen Fortbildungsplattform von Lehrkräften für Lehrkräfte entstanden. Wenn wir in die Zukunft investieren wollen, müssen wir in die Menschen investieren, die eine wesentliche Verantwortung für die Bildung unserer Kinder tragen. Die Zukunft eines Landes wird maßgeblich davon beeinflusst, wie es junge Menschen ausbildet. Und wenn wir die nächste Generation befähigen wollen, nicht nur Anwender, sondern Gestalter der digitalen Welt zu sein, brauchen wir Lehrkräfte, die unseren Kindern die nötigen Kompetenzen für das 21. Jahrhundert vermitteln. Dafür braucht es digitale Angebote für Lehrerfortbildungen. Hier setzen wir mit unserer digitalen Fortbildungsplattform fobizz an. Seit 2018 haben wir uns als Hamburger EdTech-Startup dafür verschrieben, die Digitalisierung der Lehrerfortbildung in Deutschland voranzutreiben. Mittlerweile sind wir Deutschlands größte unabhängige Fortbildungsplattform für Lehrkräfte. Heute werden auf fobizz täglich rund 1.500 Fortbildungen absolviert und mehr als 125.000 Lehrkräfte und Schulen nutzen die Fortbildungsplattform. Lehrkräfte sowie Dozentinnen und Dozenten aus Bildung und Wissenschaft geben ihr Wissen auf fobizz mit Begeisterung weiter. Werden auch Sie Teil unserer Fortbildungs-Community und besuchen Sie uns unter: fobizz.com

Lasst uns Schule als attraktiven Lern- ort gestalten, an dem junge Menschen zu mündigen Weltbürgern werden.

Mit Zukunftskompetenzen die Lebens- und Arbeitswelt gestalten
Um das zu beantworten, sollten wir nicht auf die Digitalisierung, sondern vielmehr auf die Digitale Transformation gucken. Die digitale Transformation im Sinne der vierten industriellen Revolution ist zwar ein durch digitale Technologien ausgelöster Veränderungsprozess, die Veränderungen gehen aber mit einem umfassenden kulturellen Wandel der gesamten Lebens- und Arbeitswelt einher. Sie unterscheidet sich von der Digitalisierung durch ein deutlich größeres Ausmaß der Veränderung. Diese Differenzierung ist nicht nur in Unternehmen, sondern auch in der Schule wichtig. Möchten wir die Schüler auf eine digitale Welt und auf die Komplexität von ständiger Transformation vorbereiten, geht das weit über den Einsatz technischer Geräte und die Anwendung von Tools hinaus. Es geht um die Veränderung von Schule im Allgemeinen und von Unterricht im Speziellen, bei der wir Möglichkeiten schaffen, in neuen, zeitgemäßen Lern- und Prüfungsformaten den Erwerb von Zukunftskompetenzen zu ermöglichen, die die Schüler befähigen, mit Veränderungen, die die digitale Transformation mit sich bringt, umgehen zu können und ihre Lebens- und Arbeitswelt zu gestalten. Zukunftskompetenzen, das sind Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken aber natürlich auch Selbstorganisation und Selbstreflexion. Die Nutzung digitaler Endgeräte und der Einsatz von Tools ist dann nicht mehr Selbstzweck, sondern dient lediglich diesem Ziel.
Jacob Chammon, Vorstand Forum Bildung Digitalisierung