
Wie smart kann Stadt sein?
Von selbstfahrenden Autos bis hin zur automatisierten Abfallentsorgung in einem Haus, in dem der Kühlschrank den nächsten Einkauf organisiert: Schreiben Sie uns, was Sie sich von der Stadt der Zukunft wünschen.

Wandlungsfähig
In weniger als 30 Jahren werden etwa 70 Prozent der Menschen in Städten leben. Daher muss es deren Aufgabe sein, städtische Dienstleistungen wesentlich effizienter zu gestalten und in die Zukunftsfähigkeit des städtischen Ökosystems zu investieren. In diesem Zusammenhang hat die spanische Stadt Santander im Jahr 2009 eine Initiative gestartet, um sich von einer traditionellen Touristenstadt in eine Technologiestadt zu wandeln. Ziel ist die Förderung neuer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die unter anderem Informations- und Kommunikationstechnologien in den Mittelpunkt stellen. Teil dieser Initiative ist der Einsatz von mehr als 15.000 „Internet-der-Dinge“-Geräten, mit denen städtische Dienstleistungen wie das Müll- und Verkehrsmanagement oder die Bewässerung von Parks überwacht und gesteuert werden. Das Hauptanliegen war jedoch die Einbeziehung aller städtischen Interessengruppen wie Bürgern, Unternehmen und der Forschungsgemeinschaft. Dabei setzte man von Anfang an auf den Einsatz verschiedener Apps. Über sie stellte man Informationen über Nahverkehr, Einkaufsmöglichkeiten oder das kulturelle Leben zur Verfügung, andere sollten den Bürgern Anreize bieten, eine bessere Stadt für alle zu schaffen. Vor Kurzem startete eine Mitgestaltungs-Plattform, über die neue Ideen gemeinsam konzipiert, umgesetzt und überprüft werden können. Sie soll den Bürgern Nutzen bringen und gleichzeitig neue Möglichkeiten für Unternehmen eröffnen. Worldwide cities are playing a paramount role in social and economical transformation. Their continuous activity attracts more and more inhabitants to the point that in less than 30 years from now, around the 70% of the population will live in cities. For handling such demand, it is compulsory that managers and those responsible for cities conceive solutions aimed at making urban services much more efficient, facilitating the holistic sustainability of the urban ecosystem. Within this context, Santander pioneered, in 2009, a challenging initiative aimed at reshaping the traditional tourist city model into a technological one, fostering the consolidation of a new economic framework in which knowledge and skills related to information and communications technologies are one of its characteristics. As part of this initiative, more than 15,000 Internet-of-Things devices were deployed throughout the city aimed at monitoring, and eventually actuating on, most of the urban services such waste and traffic management, or irrigation in parks and gardens. However, deploying technology was not the primary objective, but the intention was to involve the urban ecosystem stakeholders such the citizens, companies or the research community. To fulfil this aim, from the very beginning, several APPs were made available: some of them providing complete information about transport, shopping or cultural life and others aimed at incentivising the citizens to forge a better city for all. More recently, a co-creation platform has been made available for conceiving, designing, implementing and validating new ideas, which may benefit other citizens, whilst setting up new opportunities in terms of business.

Summe seiner Bewohner
Von der Stadt der Zukunft wünsche ich mir vor allem mehr Miteinander und weniger Anonymität. Während eines einmonatigen Aufenthalts auf Sizilien ist mir zum ersten Mal in vollem Ausmaß bewusst geworden, dass es die Menschen sind, ihr Bewusstsein, ihre Akzeptanz, die eine Stadt zu dem machen, was sie ist. Dort hatte ich festgestellt, dass – vor allem in Catania, wo ich mich den größten Teil der Zeit aufhielt – die Fassaden außen ranzig wirkten und sich niemand groß um die Häuser oder das Erscheinungsbild der Straßen zu scheren schien. Betrat man hingegen die Innenräume, fand man durchdesignte, gepflegte Wohnungen vor. Wie offen, fantasievoll, tolerant und umweltbewusst seine Einwohner sind, spiegelt sich im Erscheinungsbild einer Stadt unmittelbar wieder. Und das wünsche ich mir für die Stadt der Zukunft: mehr Offenheit für Neues, Streetart, Umweltprojekte, Grünflächen und vieles mehr. Ein besonders wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach auch die Kostenfreiheit der öffentlichen Verkehrsmittel und den Ausbau der Nutzungsmöglichkeiten. Jeder sollte die Möglichkeit haben, innerhalb einer Stadt von A nach B zu kommen – und das möglichst grün. Fahrräder sollten allen gehören – Konzepte, die in Holland längst zur Realität gehören und sich hier noch stärker etablieren müssen.

Smart, aber geschützt
Das Erscheinungsbild einer smarten Stadt kann vielfältig sein. Beispielsweise durch eine intelligente Verkehrssteuerung, die flexibel auf das konkrete Verkehrsaufkommen reagiert, um Staus zu vermeiden. Oder durch smarte und dadurch energieeffiziente Häuser, die uns den Alltag erleichtern und gleichzeitig einen Beitrag leisten, die Umwelt zu schützen. Was sollte an diesem fast utopischen Szenario nicht zu mögen sein? Der gemeinsame Nenner einer smarten Stadt ist die Digitalisierung. Sie ermöglicht es, mehr Daten als je zuvor effizienter denn je zu verarbeiten. Doch genau hier besteht die Gefahr, dass die vermeintliche Utopie schnell ihren Glanz verliert. Denn wenn der Preis für den staufreien Arbeitsweg aussagekräftige individualisierbare Bewegungsprofile sind und anhand der Strom- und Heizungsnutzung festgestellt werden kann, wie viel Zeit man im Bad oder vor dem Fernseher verbringt, verwandelt sich die schöne smarte Welt schnell in die Dystopie des gläsernen Menschen. Städte können trotzdem so smart wie möglich werden, wenn man die Vorteile und Risiken in ein angemessenes Gleichgewicht bringt. Genau diese Aufgabe kann der Datenschutz vollbringen: Etwa durch „Privacy by Design/Default“, also „Datenschutz ab Werk“, oder durch Anonymisierung der Daten. Denn Datenschutz ist nichts weniger als der Schutz des Menschen in der digitalisierten Welt. Für eine smarte Stadt benötigen wir also auch einen starken Datenschutz.

Der gläserne Bürger
„Wie smart kann Stadt sein?“ ist eine unvollständige Fragestellung. Sie muss lauten: Wie smart kann Stadt sein, unter dem Gesichtspunkt, dass alle verarbeiteten Daten ausschließlich dem Nutzer gehören? Das impliziert, dass die verarbeiteten Daten nur und ausschließlich jedem Nutzer gehören und er zu jeder Zeit uneingeschränkt über diese Daten verfügen kann, diese nur unter expliziter Genehmigung des Nutzers weiter verarbeitet werden dürfen beziehungsweise, um es auf die Spitze zu treiben, diese Daten vom Nutzer monetarisiert werden können. Das gilt sowohl für den privatrechtlichen wie aber auch den öffentlichen Sektor. Im Übrigen macht China gerade vor, wie die Gesellschaft über Apps „zivilisiert“ werden soll. Das dort eingeführte „Social Scoring“ ab dem Jahre 2020 – die permanente Bewertung der Konformität aller Bürger anhand zahlloser Daten über das Sozialverhalten – zeigt, wie weit ein Datenscreening in wenigen Jahren gehen wird.

Wenn man sich überlegt, was durch die Digitalisierung möglich wäre und wie noch die Realität aussieht, wenn man etwa einen Reisepass beantragen will, so denke ich, dass die Stadt noch viel smarter werde muss. Digitalisierung kann nicht damit aufhören, dass ich als Bürger online sehen kann, dass auf Wochen alle Behördentermine ausgebucht sind.

Mehr als Effizienz
Ich stelle mir die Zukunft der Smart City ein bisschen so vor wie in einer Dystopie: alles scheint perfekt zu sein, das Leben ist viel einfacher und wir müssen uns um viele Dinge keine Gedanken mehr machen – die vernetzte Stadt regelt alles für uns. Sie sucht uns den besten Weg zur Arbeit, es gibt keinen lästigen Stau mehr und sobald ein Parkplatz in der Nähe unseres Wunschziels frei ist, werden wir dorthin navigiert. Die Straßen sind frei von Müll und Dreck, weil die Mülltonnen sofort geleert werden, sobald sie voll sind. Überfälle oder Schlägereien werden von Kameras aufgezeichnet und Polizisten treffen nur wenige Minuten später am Ort des Geschehens ein. Und sollte ein Straftätiger doch einmal flüchten können, sind Fahndungsfotos kein Problem mehr. Aber ist wirklich alles so perfekt? Denn mit allen Vorteilen geht auch unsere Anonymität immer mehr verloren. Jeder unserer Schritte wird aufgezeichnet und ausgewertet, damit wir alle noch effizienter funktionieren. Ertragen wir solch eine Überwachung tatsächlich, auch wenn sie für uns dann einen recht reibungsfreien, optimierten Alltag bringt? Und ist es nicht vielleicht manchmal auch Chaos und das Überraschungsmoment, das uns anzieht? Ein längerer umständlicherer Weg kann dabei nämlich unerwartet Schönes bringen: eine besondere Begegnung, die Entdeckung eines neuen Lieblingsortes oder eine neue Perspektive auf etwas Bekanntes.

Erst die nächste Generation sieht’s.

Zu Hause von unterwegs
Wir sind immer und überall vernetzt. Dabei sind wir ständig zu erreichen und anscheinend auch in der Lage, Dinge an verschiedenen Orten zur gleichen Zeit zu erledigen, was Zeit spart, aber auch Gefahren birgt.

Bereit für alle Fälle
„Smart“ sehe ich eher im Sinne von attraktiv. In einer smarten Stadt würde ich gerne leben. Das heißt meine Stadt der Zukunft sollte mir in jedem Altersabschnitt im unmittelbaren Umfeld, also fußläufig, leicht erreichbar und gut gemischt Wohnen, Arbeit und Freizeit bieten. Eine smarte Technik kann dabei helfen, die Umgebung frei von Lärm, Geruch, Luft-, Wasser- und Erdverschmutzung zu halten, mit Arbeits-, Bedienungs-, Informations-, Kommunikations- und Transport-Assistenten meiner Bequemlichkeit „inhouse“ und „outdoor“ entgegenzukommen sowie Angebote und Möglichkeiten zu schaffen für meine verschiedensten spontanen und manchmal auch stark schwankenden Wünschen nach Geselligkeit, Genuss, Bewegung, Sport und sonstiger Aktivitäten, ohne damit andere zu stören.

Bring dich ein
Ich habe das Gefühl, dass der Trend zum kollektiven Denken immer stärker wird und sich manifestiert durch die jüngeren Generationen, die allmählich nachkommen. Mehr Reisen, mehr Teilen, mehr Sprachen, mehr Technologie, mehr Unterschiede, mehr Horizont – einfach mehr von allem. Nach der Überproduktion kam somit die Frage auf: Wohin mit all den Dingen? Wo kann ich sie einbringen? Somit entstehen neue Wege und Ideen für das Kollektiv – auch für die Stadt. Zum Beispiel Carsharing, Roller, die geteilt werden, Hybrid Car to go, Haushaltsgemeinschaften, borge etwas aus und lerne deinen Nachbarn kennen und so weiter. Minimalismus und der Trend zum Sparen kristallisiert sich meiner Meinung nach immer mehr heraus. Die Stadt wird smarter, wenn der Einzelne sich bewusster wird, wo er mithelfen und sich einbringen kann. Selbstständigkeit und Organisation verbinden dich mit der Entwicklung.

Die Zukunft ist E
Der Kauf meines E-Autos war ein Abenteuer: „Meinen Sie das ernst?“, bekam ich in Autohäusern zu hören. Vor den ersten Fahrten sah ich mich nachts schon an Haustüren klingeln und nach Strom fragen. Knapp 25.000 Kilometer E-Fahren später kann ich sagen: alles Quatsch. Die öffentliche Ladeinfrastruktur ist noch ein bisschen wie die Kleinstaaterei im Mittelalter, denn zumeist betreiben die jeweiligen Stadtwerke und Netzbetreiber die Säulen. Und da hat jeder seine Regeln, nur nicht die seiner Konkurrenz aus der Nachbarschaft. Aus jedem Geldautomaten bekomme ich heute mit jeder EC-Karte Bares, aber an jeder Ladesäule brauche ich immer ein anderes Equipment, um ein wenig Strom tanken zu können. Bis vor kurzem gab es nicht einmal eine Übersicht, wo die Ladesäulen stehen. Inzwischen veröffentlicht die Bundesnetzagentur eine Karte, die mir halbwegs vollständig erscheint. Stromtankstellen sind vor allem ein Ort der Kommunikation. Wenn man sein Kabel auspackt und anschließt, fragt fast immer jemand: „Funktioniert das wirklich mit Strom?“ Und oft enden die Gespräche mit dem Satz: „Beim nächsten Autokauf überleg´ ich mir das auch.“ Mit meiner E-Auto-Erfahrung bin ich überzeugt: Die Zukunft der individuellen Mobilität ist elektrisch und über die heutigen Debatten zur Reichweite und Ladeinfrastruktur werden wir in zehn Jahren nur müde lächeln. Ich bin sicher, bald werden wir mit Kindern über Benzintankstellen so reden wie heute über Telefonzellen.

Orte der Lebendigkeit
Smarte Städte zeichnen sich durch eine technologische und soziale Vernetzung aus. Sie sind effizienter, nachhaltiger, kooperativer, resilienter und damit zukunftsfähiger als andere Städte. Die Smart-City-Bewegung betrifft große und kleine Städte, Städte in Ballungszentren und auf dem Land, wachsende und schrumpfende Kommunen und bezieht immer das sie umgebende Umland mit ein. Städte können sich als beherrschbare Einheiten im Vergleich zu Staaten zügig verändern. Sie haben die Chance, akuten Herausforderungen rasch zu begegnen und die Frage nach dem guten Leben individuell zu thematisieren. Eine Kommune, die gute Antworten liefert, wird erfolgreich sein. Sie wird auf ihre Region ausstrahlen und positive Entwicklungen in Gang setzen. Das ist smart. Einige smarte Städte werden unsere Wirtschaftsweise überdenken und nachhaltige urbane Ökonomien gestalten. Sie werden Stadtbewohner in sinnvoller Beschäftigung halten und aktiv in die Entwicklung der Stadt integrieren. So schaffen sie, neben einer sicheren Ver- und Entsorgung, Jobs, gesunde und erwünschte Lebensbedingungen, Sicherheit und kulturelle Resilienz. Die Digitalisierung wird uns, klug genutzt, Gegebenheiten und Prozesse wie die beschriebenen ermöglichen. Sie befähigt uns, gute Aspekte der Vergangenheit mit modernen Vorstellungen von Lebensqualität zu verbinden, auch ohne dabei das Menschliche technisch zu dominieren. Wenn Städten solche Entwicklungen gelingen, sind sie sehr smart.

Mobil im morgen
In einer smarten Stadt müsste der Verkehr neu organisiert sein. Ampelschaltungen sollten stärker aufeinander ausgerichtet sein, so dass der Verkehrsfluss ohne Stockungen läuft. Vereinfacht würde das durch selbstfahrende Autos, die in der Lage sind, Routen anhand von Verkehrsströmen zu wählen und mit den Ampelanlagen kommunizieren können. Außerdem könnte elektronisch angezeigt werden, wo derzeit Fahrzeuge fahren, die bereit sind, Mitfahrer mitzunehmen, so dass die Anzahl der Personen pro Auto deutlich erhöht werden könnte. Schwebende Fahrzeuge, die auf einer zweiten Ebene oberhalb der Straßen unterwegs sein könnten, würden den Verkehr zusätzlich entlasten.

Lebendiger Organismus
Städte sind für mich Orte der Freiheit. In Berlin habe ich durch die Stadt gelernt, dass Freiheit nicht bedeutet, die Auswahl zu haben, sondern eine zu treffen. Das könnte man unter smart verstehen. München ist eine Stadt, die einen einbezieht, aber auch mit einer Großzügigkeit in die Natur flüchten lässt, um am Abend wieder in den Schutz der Stadt zurückkehren zu können. Berlin lässt einen und wir bleiben immer Entdecker der eigenen Umgebung. Manchmal denke ich, Menschen sind wie Pflanzen: Sie wachsen nicht überall gleich gut an. Manche ernähren sich wie Luftwurzler aus den flüchtigen Momenten, wieder andere sind tief verwurzelt an einem Ort und brauchen die wohlige Wärme von viel Erde um sich. Eine Stadt stelle ich mir wie einen riesigen Urwaldbaum vor. Überall ist er besiedelt von verschiedensten Arten von Pflanzen und Tieren. Auf allen Ebenen passiert etwas anderes, unabhängig voneinander, und doch ist es ein riesiges Zusammenspiel aller Organismen. An manchen Ästen wächst und blüht es, an anderen schläft oder stirbt es. Man könnte Stadt auch als eine Art polymorphen Mehrzeller begreifen: Immer die Möglichkeit, sich andocken, sich verbinden, Anschluss finden zu können. Stadt bedeutet für mich eine Einladung zur Vielfältigkeit von Heimat und Kulturen. Es bedeutet, Möglichkeiten der Auswahl zu haben.

Nutzen für die Menschen
Die smarte Stadt ist kein Selbstzweck und der Begriff „Smart City“ auch kein neues Leitbild für die Stadtentwicklung. Digitalisierung, Vernetzung und Technik sind wichtige Hilfsmittel auf dem Weg zur nachhaltigen und lebenswerten Stadt. Aber wir wollen dabei die Menschen in den Mittelpunkt stellen, die in unseren Städten leben. Deshalb müssen wir den Nutzen für die Allgemeinheit als Bewertungskriterium einbeziehen. Derzeit wird „Smart City“ noch allzu sehr von der technischen Seite her gedacht. Die Frage lautet oftmals, was technisch möglich ist und wie wir diese Technik einsetzen können. Doch nicht alles, was technisch möglich ist, ist letztlich sinnvoll und nachhaltig. Der Ansatz muss deshalb eher lauten: Was benötigen die Menschen in den Städten zur Verbesserung ihres Alltags? Was hilft ihnen, um ihre Lebensmodelle verwirklichen zu können? Und was benötigen die Städte, um sich nachhaltig und zukunftsfähig zu entwickeln? Da bieten Smart-City-Konzepte viel Potenzial. Mit gezielt verknüpften Daten lassen sich schwierige Entscheidungen präziser treffen und hochkomplexe Prozesse besser steuern. Kommunen können ihr Service- und Dienstleistungsangebot für die Bürger weiterentwickeln und die Effizienz der Prozesse in der Verwaltung im Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern steigern. Das sind einige der Herausforderungen, denen sich die Städte tagtäglich und in Zukunft stellen.

Alle mitnehmen
Digitaler Wandel bringt viele Gestaltungsmöglichkeiten für unsere Gesellschaft mit sich, um effizienter und zukunftsfähiger zu sein. Doch es gibt Menschen, die davon gänzlich abgehängt sind. In unserer Arbeit sind wir täglich mit existenziellen Nöten von Straßenjugendlichen konfrontiert, die aufgrund individueller Missstände scheitern, ihr Zuhause verlieren und auf der Straße landen. Berlin ist das Spiegelbild eines Landes, in welchem Wunsch und Wirklichkeit von Lebensentwürfen weit auseinandergehen. Die Mittelschicht kämpft um bezahlbaren Wohnraum, aber Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, werden aus dem öffentlichen Leben verdrängt und haben den Kampf um eigenen Wohnraum bereits verloren. Dabei können auch Anliegen von sozial ausgegrenzten und obdachlosen Menschen in Konzepten zu „Smart City“ ihren Platz finden. Wenn es beispielsweise um städtebauliche Veränderungen geht, die eine bewusste Durchmischung von Wohnquartieren fördern, die eine durchdachte Ausgestaltung von öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen beinhaltet, in denen gegen Ausgrenzung vorgegangen und den Bedürfnissen von obdachlosen Menschen mit Aufenthalts- und Duschmöglichkeiten Rechnung getragen wird. Andere Länder, wie Dänemark, gehen etwa mit dem „Housing-first-Programm“ beispielhaft gegen Obdachlosigkeit vor. Warum nicht bei uns Strategien initiieren, die Städtebau, soziale Arbeit und Politik vereinen. Wir finden, smart heißt eben auch, alle mitzunehmen.

Organisiertes Leben
Die wachsende Urbanisierung stellt unsere Städte vor Herausforderungen: Luftverschmutzung, Wasserknappheit und ein andauernder Verkehrskollaps sind Überlastungserscheinungen. Aber das System Stadt ist nicht das Problem, sondern dessen Lösung. Nur hier können sehr viele Menschen auf kleiner Fläche und mit vertretbarem Ressourceneinsatz ihr Leben organisieren. Zunehmend helfen bei dieser Aufgabe eine ausgefeilte technische Infrastruktur und die Digitalisierung: Straßenlampen leuchten nur, wenn jemand in der Nähe ist; Detektoren melden freie Parkplätze; der Interneteinkauf wird per Drohne geliefert; Mobilitätssystem und Energieverbrauch werden durch umfassendes Monitoring in Echtzeit gesteuert. Unsere Städte werden „smart“. Die Smartness einer Stadt wächst aber nicht alleine mit der Menge verbauter Elektronik. Smart bedeutet auch hohe Lebensqualität bei geringem Ressourcenverbrauch. Smart ist die Stadt mit dem effektivsten Management. Es geht dabei auch um intelligente Verwaltungsstrukturen und eine offene Kommunikation mit den Bürgern über die elektronischen Kanäle. Und Digitalisierung ergänzt den Werkzeugkasten der Stadtplaner, so dass bereits deren Konzepte effizienter und menschengerechter werden sollten. Aber unzureichender Datenschutz, Verwundbarkeit der Systeme und die potenzielle Machtfülle der Konzerne bilden die andere Seite der Medaille. Augenmaß und maßgeschneiderte Gesetze werden hier unabdingbar.

Verkehr neu erfinden
Von einer smarten Stadt wünsche ich mir vor allem mit Blick auf Pkws ein besser organisiertes Transportsystem. Hier sollten die Straßen und Parkflächen durch flächendeckende Car-Sharing-Gebiete bis in den Speckgürtel hinein entlastet werden. Eine höhere Auslastung vorhandener Fahrzeuge ist unabdingbar, um modernen Mobilitätsanforderungen und dem ständigen Zuzug gerecht zu werden. Auch selbstfahrende Autos und Taxis, die durch smarte Realtime-Verarbeitung von Verkehrsdaten ebenso einen besseren Verkehrsfluss gewährleisten können, spielen hier eine Rolle. Weniger Autos, weniger Stau und schnellere Beförderung ans Ziel würden somit allen zugutekommen – mal abgesehen davon, dass Radwege und Begegnungszonen für Fußgänger dann ausgebaut werden könnten. Da sich die Autoindustrie vor allem für die Metropolen und die weniger materialistischen und besitzdenkenden Generationen neu erfinden muss, sehe ich hier großes Innovationspotenzial.

Smartes Vorbild
Spanien mag vor wenigen Jahren noch eines der Sorgenkinder der EU gewesen sein, mittlerweile ist es wieder auf dem Weg nach oben. Und in punkto Smart City kann eine Stadt im Norden des Landes dem Rest der Welt den Weg weisen: Santander. Sie ist so modern, dass sich Delegationen aus dem Ausland bereits vor Ort einen Eindruck davon verschaffen, wie eine Smart City der Zukunft auch in ihrer jeweiligen Heimat funktionieren könnte. Zum Beispiel sind die Abfallbehälter in Santander so „intelligent“, dass sie den Verantwortlichen melden, wenn sie eine Leerung für notwendig halten. Und mithilfe von LED-Anzeigen, die an strategischen Stellen der Stadt aufgestellt sind, sehen Autofahrer, ob in einer bestimmten Straße noch ein Parkplatz frei ist oder nicht.

Schöne neue Welt
Mein Traum von einer smarten Stadt ähnelt einem Science-Fiction-Szenario: Auf der Oberfläche erleben wir eine Idylle mit gutgelaunten Menschen, denen Maschinen die Arbeit abnehmen. Umweltprobleme gehören der Vergangenheit an, der Verkehr ist unter die Erde verbannt. Nahrungsmittel wachsen an jeder Ecke und Energie wird nachhaltig erzeugt. Die Überbevölkerung ist auch kein Problem mehr, es wird in die Höhe gebaut und die Ozeane werden besiedelt. Maschinen nehmen den Menschen immer mehr Tätigkeiten ab, Arbeit wird zunehmend zum Luxusartikel. Die breite Bevölkerung muss sich mit fragwürdigen Entertainmentangeboten, natürlich virtuell, die Zeit vertreiben. Die Entfremdung von der Natur und der Realität nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Allmählich verwandelt sich der Traum in einen Albtraum.

Frei vom Ballast
Ich glaube, dass in erster Linie smarte Menschen eine smarte Stadt ausmachen, und dann erst kommt die smarte Nutzung von Technologie. Eine Stadt bewohnt von fünf Millionen miteinander vernetzten Smombies, die aber gar nichts mehr voneinander mitkriegen, weil sie nur noch mit der Steuerung der in ihren Smartwatches eingebauten Wasserfontäne beschäftigt sind, finde ich schon nicht besonders reizvoll, sondern geisterhaft und furchterregend. In meiner großen Vision einer smarten Stadt sehe ich vielmehr selige Menschen durch die Straße laufen, die sich an den schönen Dingen des Lebens erfreuen können und mehr Zeit haben, sich sinnvollen Aufgaben zu widmen, weil sie nicht den ganzen Tag Probleme mit dem legendären Paketboten haben müssen. Dann lieber Drohnen ranlassen.

Mensch im Mittelpunkt
Wenn es um smarte Städte geht, denken viele zuerst an vernetze Technik, Digitalisierung, Automatisierung, den Einbau von Sensoren und Hightech. Keine Frage, diese Punkte gehören auch dazu. Allerdings müssen wir früher ansetzen. Denn wofür das Ganze? Wir wollen lebenswerte, saubere und sichere Städte für zufriedene und gesunde Bürger. Deshalb ist es enorm wichtig, sie von vornherein in Smart-City-Projekte mit einzubeziehen. Bei Alliander ist der Begriff Smart City sehr sozial geprägt. Wir meinen, Städte können umso smarter werden, desto mehr und eher sich Menschen „bottom-up“ vernetzen. Das zeigt auch unsere Erfahrung in Amsterdam, wo Alliander zusammen mit Partnern erfolgreich eine Smart-City-Plattform initiiert hat. Hier kommen die Ideen der Bürger auf den Tisch, es werden Erfahrungen ausgetauscht, Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert und Pilotprojekte gestartet. Im nordrhein-westfälischen Heinsberg verfolgen wir einen ähnlichen Ansatz. Bürger, Unternehmen und Stadtverantwortliche, jeder kann auf Augenhöhe mitdiskutieren. Lösungen – etwa für eine effiziente Energieversorgung, flüssigen Verkehr oder krisenfeste Kommunikation – kommen auch aus der Gesellschaft und werden transparent kommuniziert. Regelmäßig wird evaluiert, welche Veränderungen und technische Ansätze es wirklich braucht, um die jeweilige Stadt smarter zu machen. Denn in wirklich smarten Städten stehen Menschen und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt.
Luis Muñoz, Direktor Labor für Netzplanung und mobile Kommunikation, Universität Cantabria (Spanien)